(„Miss Julie“ directed by Liv Ullmann, 2014)
Irland, 1890: Die junge Gräfin Julie (Jessica Chastain) tanzt auf dem Mittsommerfest mit ihrem Angestellten John (Colin Farrell) – teils aus Begierde, teils um den Zwängen ihres adligen Lebens zu entkommen. Dieser zeigt sich jedoch eher zurückhaltend, ist er doch mit seiner Kollegin Kathleen (Samantha Morton) verbandelt und lässt sich auch nur ungern als Spielzeug missbrauchen. Im Laufe der Nacht kommen sich die beiden jedoch tatsächlich näher und John muss zugeben, schon vor langer Zeit ein Auge auf seine heutige Herrin geworfen zu haben.
Auch wenn Filmtitel, Besetzung und Setting dafür sprechen, seinen Ursprung nahm Fräulein Julie nicht in Irland, sondern im hohen Norden: Das Drama basiert auf einer Tragödie des schwedischen Schriftstellers August Strindberg und wurde 1889 uraufgeführt. Geschadet hat die Umsiedlung jedoch nicht, denn die Grundgeschichte ist nur wenig ortgebunden. Wie auch, schließlich hält sich bei dem Kammerspiel die Zahl der Schauplätze sehr in Grenzen: eine Küche, ein Schlafzimmer, der Garten, dazu maximal noch der eine oder andere Flur – mehr ist hier nicht zu sehen. Aber auch das muss nicht zwangsweise eine Schwäche sein, wie die Theaterverfilmung Der Gott des Gemetzels und unzählige andere Filme mit ähnlich übersichtlicher Szenerie bewiesen.
Die Optik ist dann auch trotz der zwangsweise fehlenden Abwechslung weniger das Problem, schließlich erfreuen hier schöne Kostüme und historische Einrichtungsgegenstände das Auge. Der Höhepunkt ist jedoch weniger die Ausstattung als vielmehr die fabelhaft besetzten Hauptfiguren. Anders als man vielleicht erwarten könnte, ist Fräulein Julie keine der üblichen Herzschmerzromanzen, die ihre Erfüllung in Kitsch und einem hohen Taschentuchverbrauch finden. Das geben die beiden verhinderten Liebenden auch nicht her, die genreuntypisch sehr ambivalent sind.
Die schöne Julie tut anfangs nicht sehr viel dafür, Sympathiepunkte beim Zuschauer zu sammeln: Sie lässt ihrer Schoßhündin Gift ins Futter mischen, damit eventuelle Nachkommen der Nachbarspromenadenmischung bereits im Keim erstickt werden. Dass John und Kathleen mehr als nur Kollegen sind, auch das ist ihr egal, wendet erst ihre Verführungskünste, später auch Drohungen an, um ihrem Objekt der Begierde näherzukommen. Aber auch Letzteres ist nicht moralisch über jeden Zweifel erhaben: Die anfängliche Entrüstung hält nicht lange an, vor Manipulation und Zwang schreckt John genauso wenig zurück. Tatsächlich ist Fräulein Julie weniger schöne Romanze als vielmehr ein hässliches Ringen um Macht und Einfluss.
Vielversprechende Zutaten also, die sich aber nicht wirklich in einem interessanten Film wiederfinden. Selbst wenn man darüber hinwegsieht, dass die Probleme der unterschiedlichen Stände der beiden Figuren ein Produkt ihrer Zeit sind, fällt es hier schwer, tatsächlich an dem Geschehen Anteilnahme zu zeigen. Chastain gibt ihrer Figur betont ätherische Qualitäten, wirkt oft nicht ganz von dieser Welt. Farrell hingegen ist äußerst präsent, versucht selbst in seiner Zurückhaltung zu dominieren. Was die beiden aneinander finden – über das jeweilige ansprechende Äußere hinaus – wird nie wirklich klar, die dargestellte Leidenschaft bleibt ohne emotionales Fundament. So wird zwar viel gestritten, das alleine reicht aber nicht aus, um wirklich zwei Stunden lang fesseln zu können. Immer wieder kommt es so zu langatmigen Passagen, die urplötzlich umschlagen, ohne dass man je so ganz verstehen würde warum. Dass die Figuren wie bereits gesagt zudem eher unsympathisch sind, hilft auch nicht dabei, um den Zuschauer für ihr jeweiliges Schicksal zu interessieren.
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