(„German Angst“ directed by Jörg Buttgereit, Andreas Marschall und Michal Kosakowski, 2015)
Anthologien sind immer eine schöne Möglichkeit, die unterschiedlichsten Regisseure und Drehbuchautoren zu versammeln, die unterschiedlichsten Geschichten zu erzählen. Für Nachwuchsfilmemacher bietet sich so eine Plattform, um auf sich aufmerksam zu machen, aber auch Veteranen sind ganz gerne mal dabei, bedeuten Kurzfilme doch weniger Außendruck und Anlass zu filmischen Experimenten. Gerade im Horrorbereich erfreuten sich solcher Sammlungen in den letzten Jahren einer großen Beliebtheit: 22 Ways to Die wurde kürzlich fortgesetzt, V/H/S hat sogar bereits zwei Nachfolger vorzuweisen. Während meistens versucht wird, eine Art inhaltliche Klammer vorzugeben – 22 Ways To Die (im Original ABCs of Death) ordnet jedem Buchstaben eine neue Todesart zu, V/H/S nahm alte Videoaufnahmen als Gemeinsamkeit, 5 Senses of Fear die fünf Sinne – ist man hier deutlich genügsamer. German Angst lautet der Titel, Horror Made in Deutschland eint die drei Episoden. Und das kann einem durchaus Angst machen, wer die oft bescheidenen Genrebeiträge hierzulande sieht. Ein Vorurteil? Vielleicht. Aber eines, das hier wieder seine Bestätigung findet.
Interessante Ansätze gibt es bei dem durch Crowdfunding realisierten Projekte dabei durchaus. So ist es beispielsweise definitiv verstörend, wenn in Jörg Buttgereits Eröffnungsfilm Final Girl ein namenloses Mädchen (Lola Gave) einen gefesselten Mann malträtiert, während eine Stimme aus dem Off darüber spricht, dass Menschen beim Umgang mit Meerschweinchen sich oft falsch verhalten und sie zu ungewollten Handlungen zwingen. Diese Gleichsetzung eröffnet viele Interpretationsmöglichkeiten, die von der menschlichen Arroganz anderen Lebewesen gegenüber bis zu Kindesmissbrauch und Rachefantasien reichen. Der fehlende Kontext verhindert jedoch eine konkrete Antwort. Während das vielleicht noch zu verschmerzen wäre, hat Final Girl ein ganz anderes Problem: Der Inhalt reicht einfach nicht aus, um die Zeit zu füllen, selbst bei vergleichsweise kurzen Laufzeit von 25 Minuten nimmt die Langeweile schnell überhand. Eine Spannungskurve gibt es nicht, Abwechslung ebenso wenig, wer nach der Hälfte aufhören würde, hätte nicht viel verpasst.
Auch Make A Wish von Michal Kosakowski macht letztendlich zu wenig aus seiner ungewöhnlichen Ausgangslage: Das taubstumme Pärchen Jacek (Matthan Harris) und Kasia (Annika Strauss) streifen durch eine verlassene Fabrik, wo sie auf einige Rechtsradikalentruppe stoßen, die von Gottfried (Daniel Faust) angeführt wird. Die Chancen, hier noch einmal lebend rauszukommen, stünden schlecht – wäre da nicht Jaceks magisches Amulett, mit dessen Hilfe zwei Menschen ihren Körper tauschen können. Die Situation ist natürlich gemein: Stell dir vor, du steckst plötzlich in einem Körper, der nicht sprechen kann. Wie überzeugst du andere, dass du nicht du bist? Und auch die Überlegungen dazu, was ein Opfer zu einem Opfer macht, lohnen eine nähere Beschäftigung, weshalb die mittlere Episode auch die beste der drei ist. Größtes Manko ist dieses Mal, dass der Inhalt zu stark in den Hintergrund rückt, statt das Thema weiter zu verfolgen, gibt es eine Menge Overacting, fürchterliche Dialoge und körperliche Gewalt, die aufgrund des geringen Budgets unfreiwillig komisch ist.
Während im Mittelteil aber zumindest ansatzweise Spannung vorhanden ist, fehlt die im Abschluss Alraune von Andreas Marschall dann völlig. Dieses Mal ist es Fotograf Eden (Milton Welsh), der sich mit seltsamen Phänomenen auseinandersetzen darf, nachdem er der verführerischen Kira (Kristina Kostiv) in einen ganz speziellen „Club“ folgt. Dessen Bedingung: Wer hier rein will, muss ein lebenslanges Mitglied werden. Wer sich darauf einlässt, darf auf die Erfüllung seiner geheimsten sexuellen Wünsche hoffen. Sex, Ekstase, Sucht und Lust sind dann auch die Bausteine, aus denen sich der mit Abstand längste Film zusammensetzt. Nur will sich davon nicht wirklich viel auf den Zuschauer übertragen, anstatt mitgerissen und hypnotisiert zu werden, besteht das größte Verlangen beim Abschluss, vorzeitig ab- oder umzuschalten. Die musikalische Untermalung ist gut, wie bei den beiden anderen Episoden auch, die unheilvolle Atmosphäre irgendwo auch, beides kommt aber nicht gegen das langatmige Geschehen an, das nicht nur unter dem geringen Budget, sondern auch dem banalen Inhalt zu leiden hat. Dass die überflüssige Rahmenhandlung die ohnehin kaum interessante Geschichte noch weiter in die Länge zieht, war auch nicht unbedingt der beste Einfall.
Wer das darbende deutsche Horrorgenre unterstützen mag und German Angst dieses Frühjahr bei den Fantasy Filmfest Nights verpasst hat, der darf das mit der dieser Tage erscheinenden und ungeschnittenen DVD bzw. Blu-ray natürlich tun. Wer aber abseits des altruistischen Fördergedankens einfach nur gute Unterhaltung sucht, der ist woanders besser aufgehoben.
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