Hataraki Man
© 2006 Moyoco Anno, Kodansha/Hatarakiman Committee

(„Hataraki Man“ directed by Katsumi Ono, 2006)

Hataraki ManZu Hause bleiben und das Heimchen am Herd spielen? Das ist so gar nicht Hiroko Matsukatas Ding, die 28-jährige Redakteurin des Wochenmagazins JIDAI hat Besseres zu tun: arbeiten. Bei ihren Kollegen ist sie für ihren großen Ehrgeiz und ihren unermüdlichen Einsatz bekannt, berühmt, berüchtigt. Dass sie dafür auch ihre Gesundheit mitunter opfert, ihre Beziehung zu ihrem Freund Shinji leidet, nimmt sie in Kauf. Schließlich gibt es immer einen Artikel zu schreiben, eine Ausgabe abzuschließen. Doch bedeutet das auch wirklich Glück und Erfüllung? So ganz genau weiß sie das selbst nicht.

Neue Zielgruppen erschließen, das war das erklärte Ziel, als der japanische Fernsehsender Fuji TV 2005 seine alternative Animeprogrammschiene noitaminA startete. Nachdem man mit Honey and Clover und Paradise Kiss bereits erfolgreich das weibliche Klientel bedient hatte und zwischenzeitlich mit Ayakashi: Samurai Horror Tales und Planet of Beast King in die fantastischere Richtung abgedriftet war, besann man sich bei der sechsten Sendung Hataraki Man wieder seiner Wurzeln. Ein bisschen zumindest, denn auch wenn die Serie eine weibliche Protagonistin hat, deren Design zudem den der üblichen Frauenmanga entsprach, romantisch ist sie sicher nicht.

Tatsächlich macht sich die Adaptions eines Mangas von Moyoco Anno – Ehefrau von Hideaki Anno (Neon Genesis Evangelion, Kare Kano) – sogar über ihr unweibliches Verhalten bei der Arbeit lustig: Immer wenn Hiroko bei der Arbeit den Turbo anwirft und in übermenschlicher Geschwindigkeit Texte in den Computer haut, wird sie zum „Hataraki Man“, der arbeitende Mann. Dass dies nicht so ganz dem traditionellen Frauenbild entspricht, wird nicht nur durch abschätzige Kommentare ihres männlichen Umfelds klar, auch ihre Kolleginnen dienen als Kontrastmittel. Während die kindliche Mayu sehr zum Träumen neigt, nutzt die Sportsjournalistin Yumi ihre weiblichen Vorzüge, um ans Ziel zu kommen. Doch verdammt wird keine der unterschiedlichen Frauentypen. Vielmehr stellt Hataraki Mann die überlieferte Rollenverteilung der Geschlechter in Frage, sucht in einer sich verändernden Gesellschaft nach den Zwischentönen. Und nach der richtigen Balance zwischen Arbeit und Freizeit.

Das ist trotz einiger ernsterer Themen wie Einsamkeit oder Selbstzweifeln tendenziell eher komisch ausgestaltet als dramatisch, enthält einige Running Gags, gerade durch die stark ausgearbeiteten Charaktere und ihre Reibereien wird es oft unterhaltsam. Allgemein wurde den Figuren viel Platz eingeräumt, einige der elf Folgen handeln gar nicht so sehr von Hiroko, sondern den Menschen aus ihrem Umfeld. Dass es dadurch keinen durchgängigen roten Faden gibt, ist klar, die Mangaadaption hat keine richtige Geschichte. Stattdessen wird hier aus dem Alltag der Redaktion geplaudert, manchmal auch aus dem anderer Leute: Hataraki Man ist ein klassischer Slice-of-Life-Anime, der im Prinzip in jedem Arbeitsbereich funktioniert hätte. Schön ist es dennoch, dass der Redakteursberuf zwar humorvoll, aber doch der Realität nahe und vergleichsweise unspektakulär dargestellt wird. Ein besonders netter und hierzu passender Einfall ist, dass zwischendrin die meisten wichtigen Figuren selbst interviewt werden, die Serie so Elemente von Mockumentarys übernimmt.

Weniger einfallsreich ist die Optik des Studios Gallop (Rurouni Kenshin, Yu-Gi-Oh): Animationen und Hintergründe sind auf einem recht durchschnittlichen Niveau, die visuelle Abwechslung hält sich schon aufgrund des beschränkten Settings der Redaktion eher in Grenzen. Dass der ruhige Anime zu den unbekannteren Sendungen von noitaminA gehört, verwundert nicht wirklich, vielen dürfte hier einfach nicht genug passieren – besonders zum Schluss hin. Dennoch ist es schade, dass Hataraki Man bis heute nicht außerhalb Japans veröffentlicht wurde, in den USA nicht, in Frankreich nicht, in Deutschland nicht. Eine Zeit lang gab es die Gelegenheit, sich alle elf Folgen kostenlos und legal auf der Streaming-Plattform Viewster anzuschauen. Doch das wurde inzwischen geändert. Schade: Wer beiläufige Slice-of-Life-Geschichten zu schätzen weiß, der findet hier sicher kein Ausnahmewerk, aber doch ein gutes und kurzweiliges Beispiel dafür, wie einfach und kompliziert zugleich das Leben manchmal sein kann.



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In einer Redaktion zu arbeiten, das ist die Hölle. Immerhin aber eine unterhaltsame Hölle, wie „Hataraki Man“ zeigt. Eine richtige Handlung oder tolle Optik hat der Slice-of-Life-Anime nicht zu bieten, dafür aber stark ausgearbeitete Charaktere und interessante, teils komische Überlegungen zu Arbeit/Freizeit sowie den Geschlechterrollen.
7
von 10