(„Possession“ directed by Andrzej Zulawski, 1981)
Als der Agent Mark (Sam Neill) nach einem seiner Aufträge nach Hause kommt, verspürt er nur den Wunsch, wieder mehr Zeit mit Anna (Isabelle Adjani) und Sohn Bob (Michael Hogben) zu verbringen. Doch inzwischen hat sich so einiges geändert, die Gefühle seiner Frau sind erkaltet, sie will die Scheidung. Auf Drängen von Mark stellt sich heraus, dass Anna schon seit Längerem eine Affäre mit dem Intellektuellen Heinrich (Heinz Bennet) hat. Und das ist nicht das einzige Geheimnis, das sie in sich trägt.
Als Andrzej Zulawski 1981 sein Possession auf die Menschheit los ließ, waren die Reaktionen verhalten, oft sogar ausgesprochen negativ. Und das ist kein Wunder: Wer den Film unvorbereitet ansieht und mit den üblichen Qualitätsmaßstäben hantiert, findet viele Gründe, verwundert wenn nicht gar entsetzt zu sein.
Eine Handlung? Die gibt es hier nur selten. Nach dem noch nachvollziehbaren Beginn, als Mark und Anna sich nach dem Auftrag wiedersehen, wird fast ausschließlich geredet und geschrien. Das ist in einem Drama natürlich nicht unüblich, nur dass der Inhalt der Auseinandersetzungen mit sprachlichen Mitteln kaum zu erschließen ist – zu seltsam, zu nichtssagend ist das, was die beiden sich gegenseitig an den Kopf werfen. Nicht einmal die schauspielerische Leistung ist dabei trotz seiner beiden großen Hauptdarsteller überzeugend, zumindest wenn man den Anspruch erhebt, dass die Figuren wie aus dem Leben entnommen wirken sollen. Mit weit aufgerissenen Augen toben und kreischen die beiden durch die Szenen, das Overacting nimmt Ausmaße an, für die sich jede Realityshow schämen würde.
Ja, man könnte all diese Kritikpunkte aufzählen. Und doch würde man Possession damit nicht treffen, dieses Monster von einem Film, das sich so konsequent den bewährten Maßstäben entzieht. Alles hier ist rätselhaft, übertrieben, falsch, fragmentarisch. Nicht einmal das Genre ist hier eindeutig festzulegen. Für ein Drama ist es zu überlebensgroß und weltfremd, hat die nackte Emotionalität in einem Maße potenziert und verzerrt, dass kaum mehr etwas davon erkennbar bleibt. Horror? Sicher, irgendwie, schließlich darf hier fleißig Blut fließen, später wird zudem eine okkulte Richtung eingeschlagen.
Es ist dann wohl auch eher der Horror des Alltags, der hier seine hässliche Fratze zeigt. Inwieweit Possession autobiografisch gefärbt ist, darüber ließe sich viel spekulieren, schließlich hatte Zulawski zuvor selbst eine Trennung überstehen müssen. Aber selbst wer den Film als eine Dramatisierung einer Liebe ansieht, die sich mit der Zeit in Hass, Eifersucht und Besitzanspruch gewandelt hat, wird an vielen Stellen nicht mehr weiterwissen. Wofür steht das auf dem Cover bereits sichtbare Tentakelmonster? Wozu die religiösen Obertöne, die später so prominent werden?
Viele Fragen, über die man hier nachdenken kann, ohne dass der Film einem dabei tatsächlich weiterhelfen würde. Wer eine klar umfasste Unterhaltung sucht, wird deshalb auch 30 Jahre später an diesem seltsam unterkühlt-hysterischen Streifen verzweifeln, vielleicht auch wahnsinnig langweilen. Faszinierend ist die Erfahrung jedoch zweifelsohne, verstörend sogar, ein Film, den es in der Form gar nicht geben dürfte und der sich dennoch weigert zu gehen. Zuschauer, die eine neue Herausforderung brauchen und keine Furcht davor haben, zwischendurch mächtig irritiert zu werden, dürfen sich deshalb darüber freuen, dass Possession seit Kurzem sogar auch als Blu-ray vorliegt. Die blaustichigen und düsteren Aufnahmen einer in sich zerrissenen Gemeinschaft – der Film spielt im Berlin vor der Wende, Grenzposten sind deutlich zu sehen – erstrahlen so in einem neuen, wenn auch nicht weniger unverständlichen Glanz.
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