(„The Guest“ directed by Adam Wingard, 2014)
Noch immer trauert Familie Peterson um ihren Sohn Caleb, der im Afghanistan-Einsatz ums Leben gekommen ist, da steht plötzlich ein junger Mann namens David (Dan Stevens) vor der Tür und stellt sich als ehemaliger Kamerad des Verstorbenen vor. Überrumpelt von der Ankunft des Unbekannten bittet ihn Mutter Laura (Sheila Kelley) herein. Auch Vater Spencer (Leland Orser) und Sohn Luke (Brendan Meyer) schließen den überaus höflichen Soldaten schnell ins Herz, aus einem kurzen Besuch werden mehrere Tage. Nur Tochter Anna (Maika Monroe) kann sich nicht ganz dazu durchringen, ihm zu vertrauen – umso mehr, da schon bald recht seltsame Dinge in ihrem Umfeld passieren.
Für treue Besucher des Fantasy Filmfests führte in den letzten Jahren kaum ein Weg an Adam Wingard vorbei, der 2012 und 2013 mit sage und schreibe vier Beiträgen beim Kultfilmfestival vertreten war: die drei Kurzfilmanthologien V/H/S, V/H/S 2 (bzw. S-V/H/S), ABCs of Death (bzw. 22 Ways to Die) sowie der vielgelobte Crowdpleaser You’re Next, der vor zwei Jahren die Ehre hatte, das Festival abschließen zu dürfen. Nach einer etwas längeren Pause war es dieses Frühjahr dann endlich wieder so weit und Wingards lang erwarteter Thriller The Guest war im Rahmen des Ablegers FFF Nights zu sehen. Hatte sich die Wartezeit gelohnt? Ja, hatte sie. Zumindest überwiegend.
Tatsächlich wird einem manches bekannt vorkommen, wer Wingards vorherigen Film gesehen hat: Home-Invasion-Elemente, ein wunderbarer Synthiescore, schwarzer Humor, tonnenweise Referenzen an Genrekollegen, ein Twist im weiteren Verlauf und eine junge Protagonistin, die unfreiwillig zur Heldin wird und alles rumreißen muss. Das ist dann auch ein wenig das Problem von The Guest, der Film ist zwar mehr im Thriller- als im Horrorgenre zu Hause, tut aber sonst zu wenig, um sich vom „Vorgänger“ wirklich abzugrenzen. Die Überraschungen bleiben hier aus, alles wirkt etwas zu bekannt und bewährt, der Twist zu vorhersehbar, um den gleichen Effekt wie anderthalb Jahre zuvor erzielen zu können. Und auch beim Spannungsfaktor kann es Wingard nicht ganz mit sich selbst aufnehmen, sieht man einmal vom Finale ab, passiert hier vergleichsweise wenig, der Film kümmert sich mehr um seine Charaktere als um seine Geschichte.
Betrachtet man beide Filme aber losgelöst voneinander und von der chronologischen Sequenz, so halten sich die qualitativen Unterschiede in Grenzen. Denn spaßig ist The Guest sicherlich, punktet mit einer schön mysteriösen Atmosphäre und gut aufgelegten Darstellern. Ob nun Maika Monroe als grimmiger Backfisch oder Dan Stevens als charismatischer, undurchdringlicher Supermann, der gleichzeitig bester Freund und schlimmster Feind zu sein scheint, die Leistungen sind nicht nur innerhalb des nicht oft mit guten Schauspielern verwöhnten Genres mehr als sehenswert.
Und wenn Wingard zum Schluss in ähnlich absurde und blutige Sphären vorstößt wie sein japanischer Kollege Takashi Miike bei Lesson of the Evil, dann ist ohnehin jede Kritik vergessen. Und in Erinnerung bleibt der Film ohnehin, da sich The Guest mit Erklärungen ziemlich zurückhält, einiges auch nach den Credits noch offen bleibt: Im Anschluss darf daher fleißig diskutiert werden, worum es hier eigentlich ging und was es mit dem seltsamen Gast denn nun auf sich hatte.
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