(„Wir waren Könige“ directed by Philipp Leinemann, 2014)
Zwei der Verdächtigen sind tot, der dritte auf der Flucht, ein Polizist ist schwer verletzt – schon länger stand das SEK unter der Leitung von Kevin (Ronald Zehrfeld) und Mendes (Misel Maticevic) unter besonderer Beobachtung. Doch nach ihrem letzten Einsatz liegen bei den Oberen die Nerven endgültig blank. Während ihr Vorgesetzter Harthmann (Thomas Thieme) verzweifelt darum kämpft, die Kontrolle über die Truppe zu behalten, werden auch noch zwei ihrer Kollegen ermordet. Für die Beamten brechen damit alle Dämme, und sie ziehen los, um auf eigene Faust den Täter zu schnappen. Zeitgleich eskaliert die Stimmung zwischen den verfeindeten Bandenanführern Thorsten (Tilman Strauß) und Jacek (Frederick Lau), woran Nasim (Mohammed Issa) nicht ganz unschuldig ist. Denn der Junge sucht so verzweifelt Anerkennung durch die Großen, dass er vor nichts zurück schreckt.
Verbrecher sind böse, Polizisten jagen Verbrecher, also müssen Polizisten gut sein – die meisten Krimis und Thriller leben davon, dass sich Figuren klar in Protagonisten und Antagonisten einteilen lassen, man die „richtige“ Seite anfeuern und auf diese Weise mitfiebern kann. Was aber, wenn es diese richtige Seite gar nicht gibt? Dass auch Gesetzeshüter vereinzelt mal das Recht etwas eigensinnig auslegen, wenn es ihnen nutzt, das haben zahlreiche Filme schon gezeigt. Selten aber wurden traditionelle Definitionen derart hart beiseite gewischt wie hier: In Wir waren Könige hat sich die Verbrechensbekämpfung derart stark verselbständigt, dass zunehmend unklarer wird, ob es dieses „gut“ denn überhaupt noch gibt. Da spielt es keine Rolle, ob man eine Uniform oder einen Jogginganzug trägt, Mann oder Frau ist, selbst das Alter ist egal, in Philipp Leinemanns Thriller wird nicht nur ein bisschen am Lack gekratzt, von einer schönen Fassade ist hier weit und breit nichts mehr zu sehen.
Schon der Auftakt, wenn das SEK die Wohnung stürmt, macht keine Gefangenen: Da wird eine Katze in den Backofen gesperrt, Leute über den Haufen geschossen, ein Polizist verliert fast ein Auge. Aber auch die Konflikte innerhalb der Einheit sowie mit anderen Bereichen der Polizei werden schnell etabliert, als das schmutzige Geld in vermeintlich sauberen Händen landet. Und von da an geht es nur bergab, Wir waren Könige schmiert ein schmutziges, düsteres Bild auf den Fernseher, das oft schockierend, mindestens aber deprimierend ist, und in dem Hoffnungsschimmer schnell im Morast gebrochen werden. Das ist allein deshalb schon spannend, weil es so nichts gibt, was den freien Fall noch aufhalten könnte, und man wissen will, wie tief es denn noch nach unten geht. So actionreich wie zu Beginn wird es später zwar selten, das Adrenalin bleibt durch die bedrohlich-aussichtslose Grundsituation aber auf einem durchgängig hohen Niveau.
Da macht es dann auch relativ wenig, dass die Figuren an sich größtenteils uninteressant sind: Das SEK-Team ist mehr ein Kollektiv, weniger eine Ansammlung von Individuen. Und auch über die Gegenseite erfährt man relativ wenig. Warum zum Beispiel Thorsten, anfangs als Sympathieträger eingeführt – gerade im Kontrast zum prolligen Jacek –, ausgerechnet Bandenanführer wurde, bleibt ebenso ein Geheimnis wie seine kurz erwähnten Vorstrafen; es fällt mitunter schwer, die verschiedenen Aspekte und Verhaltensweisen inhaltlich unter einen Hut zu bringen. Das größte Rätsel ist aber Nasim, dessen obsessives Klammern an Thorsten sich kaum erschließt. Man muss sich also schon ein bisschen damit abfinden, dass das umfangreiche Ensemble nicht mehr als ein Mittel zum Zweck ist, dass Stimmung und Anklage einer selbstgerechten und korrupten Polizei wichtiger waren als eine nachvollziehbare Geschichte. Wer das kann, darf hier einen Blick in den Abgrund werfen und dabei Zeuge so verstörender Szenen werden, dass er in Zukunft vermutlich instinktiv die Straßenseite wechselt, wenn er einem die uniformierten Freunde und Helfer über den Weg laufen.
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