(„A Murder Is Announced“ directed by David Giles, 1985)
„Am Freitag, dem 5. Oktober wird um sieben Uhr abends in der Villa Little Paddocks ein Mord stattfinden“, lautet eine mysteriöse und anonyme Annonce in der Zeitung. Hochzeiten kündigt man an, Geburtstagfeiern, vielleicht auch eine Gartenparty. Aber einen Mord? Die Verwirrung ist groß in dem Dorf Chipping Cleghorn, die Neugierde jedoch auch. Und so finden sich – zum Missfallen der Hausdame Letitia Blacklock (Ursula Howells) – kurz vor der angekündigten Uhrzeit lauter reizende alte Damen in Little Paddocks ein, um das Spektakel nicht zu verpassen. Sehr lange hält der Spaß jedoch nicht an, als tatsächlich ein junger maskierter Mann auftaucht, die Anwesenden bedroht und kurze Zeit später tot auf dem Boden liegt. Wer war der Unbekannte? Was wollte er hier? Die einzige, die hier noch Klarheit bringen kann, ist die begeisterte Hobbydetektivin Jane Marple (Joan Hickson).
Als 1950 „A Murder Is Announced“ erschien, lief die Marketingmaschine auf Hochtouren, handelte es sich dabei doch – bei einer großzügigen Zählweise – um das 50. Buch der englischen Krimiautorin Agatha Christie. Gebraucht hätte es die künstliche Publicity jedoch nicht, denn der bislang vierte Roman rund um die scharfsinnige alte Schnüffelnase Miss Marple gehörte auch so zu den stärkeren Werken des umfangreichen Oeuvres. Dabei ist es nicht so, dass „Ein Mord wird angekündigt“, so der Titel der 1956 erschienenen deutschen Fassung, wahnsinnig anders oder gar innovativ wäre, aber er bot ein Best of der Elemente, die Fans an Christie so liebten, garniert mit einer sehr ungewöhnlichen Ausgangslage. Und das gilt dann auch für die Fernsehfassung von 1985, der dritte Film, in dem Joan Hickson die beliebte Romanheldin spielen durfte.
Eine Leiche, ein Ermittler, viele Verdächtige – das ist das Grundprinzip des klassischen Whodunnit-Krimis, wo die Suche nach dem Mörder im Vordergrund steht. Bei Ein Mord wird angekündigt gilt das auch, aber dann doch wieder nicht. Der größte Unterschied ist, dass hier zunächst keiner ein plausibles Motiv für einen Mord zu haben scheint, schließlich kannte niemand den jungen Mann, der da tot auf dem Boden liegt. Und auch die groteske Situation gibt Rätsel auf, denn egal ob Mord, Selbstmord oder Unfall, egal ob der Fremde oder ein anderer der Gesellschaft das Ziel war, wozu der Aufwand, das vorher auch noch anzukündigen, wo es in dem beschaulichen Dorf doch viel einfachere Methoden gäbe, jemanden loszuwerden?
Und auch die Anwesenden sind nicht so tatenlos wie bei vielen anderen Krimis. Spekuliert wird hier viel, manche Bewohner wie die burschikose Bäuerin Miss Hinchcliff (Paola Dionisotti) und ihre naive Freundin Miss Murgatroyd (Joan Sims) gehen sogar etwas weiter und versuchen auf eigene Faust, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. So wie bei den beiden gibt es allgemein immer wieder kleinere humorvolle Elemente. Ähnlich ausgeprägt wie bei den früheren Filmen, wo Margaret Rutherford ihre ganz eigene Interpretation der Hobbydetektivin auf die Leinwand brachte, waren sie aber dennoch nicht; die Szenen mit Marple und Inspektor Craddock (John Castle) sind anders als etwa bei 16 Uhr 50 ab Paddington oder Der Wachsblumenstrauß von gegenseitigem Respekt geprägt, nicht von kleinen Machtspielchen oder Seitenhieben.
In Ein Mord wird angekündigt hat sie das auch gar nicht nötig, denn im Gegensatz zu Die Tote in der Bibliothek und Die Schattenhand darf Miss Marple hier von Anfang an ihren Scharfsinn zeigen, muss ihn nicht hinter altjüngferlicher Schusslichkeit verstecken. Der Reiz des starken Kontrasts zwischen Erscheinung und Geist fehlt dadurch zwar, dafür bleibt die Ermittlung aber nachvollziehbarer, die Lösung wird nicht einfach aus einem Zylinder hervorgezaubert, sondern erarbeitet – was auch daran liegt, dass der Fernsehproduktion rund zweieinhalb Stunden zur Verfügung standen, man die Geschichte also schön langsam entfalten kann. Langweilig wird es trotz des gemächlichen Tempos nicht, da die diversen Wendungen einen immer wieder auf Trab halten, Krimifans der alten Schule bekommen hier mehr als genug Futter, um den eigenen Denkapparat mal wieder anzuwerfen und fleißig mitzurätseln, dazu gibt es schönes Dorfalltagsflair aus der englischen Provinz.
(Anzeige)