(„Im Keller“ directed by Ulrich Seidl, 2014)
Wann immer in Haunted-House-Gruslern die Nerven der Zuschauer besonders in Anspruch genommen werden sollen, heißt es: ab in den Keller! Aber auch im Alltag ist der Unterbau unserer Häuser ein beliebter Ort, um Sachen loszuwerden, die wir nicht mehr brauchen oder von denen wir wollen, dass sie niemand sieht – nicht umsonst heißt es, eine Leiche im Keller vergraben zu haben. Dass Ulrich Seidl, der schon in seiner Paradies-Trilogie eine deutliche Vorliebe für die Abgründe seiner Mitbürger zeigte, seinen ersten Dokumentarfilm seit vielen Jahren ausgerechnet Kellern und ihren Inhalten widmet, wer mag sich darüber noch wundern?
Und seine Neugierde sollte belohnt werden, denn auf seiner Reise unter die Erde birgt er von amüsant bis verstörend allerlei Schätze, die er freigiebig mit seinem Publikum teilt. Manches erscheint da noch relativ normal, etwa das Kellerschwimmbad und die Waschmaschinen. Eine Frau, die eine täuschend echte Babypuppe unten aufbewahrt und behandelt, als wäre es ihr Kind? Das ist schon ungewöhnlicher, ebenso die komplette Schießanlage. Doch je weiter wir kommen, umso weniger Zurückhaltung übt Seidl, weidet sich in Sadomasoszenen und Nazimemorabilien, die ein Mann unten aufgehängt hat. Dessen ganzer Stolz: ein Hitlerporträt, das ihm andere zur Hochzeit geschenkt haben sollen.
Interessant ist das Sammelsurium an Praktiken und unerwarteten Einrichtungen sicher, aber auch irgendwie ziellos. Seidl vermeidet es, die porträtierten Menschen in irgendeiner Form direkt zu kommentieren, lässt lieber die Bilder für sich sprechen. Und die sind recht eindeutig: Wenn eine Frau sich für misshandelte Frauen einsetzt, sich im nächsten Moment aber den Hintern mit einer Peitsche versohlen lässt, braucht es nicht sonderlich viel Fantasie, um erraten zu können, was im Kopf des österreichischen Regisseurs vor sich ging. Ein neutraler Beobachter ist er zudem ohnehin nicht: Dass die Szenen mit der Babypuppe gestellt sind, ist inzwischen bekannt, die Grenze zwischen Dokumentation und Spielfilm ist wie auch schon bei seinen letzten Filmen sehr durchlässig. Und wenn Seidl sich zum Schluss so gar nicht mehr von den diversen seltsamen Sex- und Erniedrigungspraktiken lösen mag, haben wir längst die Niederungen eines recht billigen Voyeurismus erreicht.
Dass Im Keller nicht „echt“ wirkt, liegt aber auch in der Hand und Weise, wie Seidl seine Anekdoten präsentiert. Die Kamera bleibt in jeder Einstellung starr, wenn es innerhalb einer Geschichte zu Wechseln kommt, dann durch Schnitte. Eine authentische Reportage kann und will der Film daher auch gar nicht sein, ähnelt vielmehr einer Theaterinszenierung oder auch einem Gemälde. Dazu passt, dass die Protagonisten oft stumm und regungslos dastehen, mit dem festen Blick auf die Kamera gerichtet. Das sieht am Ende so aus, als hätte man ein Familienalbum aufgeschlagen und alte Fotos gefunden, wie sie sonst nur ein Porträtfotograf anfertigt. Und ein bisschen ist es ja auch so, als wäre man auf einen Kaffee und Kuchen zu Verwandten gefahren und lauschte ihnen, während sie so freimütig und völlig ohne Scham aus dem Nähkästchen plaudern. Einen wirklichen Erkenntnisgewinn wird man daraus eher nicht ziehen, Im Keller will unterhaltsam sein und nicht lehrreich. Und zumindest das ist Seidl über weite Strecken auch gelungen.
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