(„Jurassic World“ directed by Colin Trevorrow, 2015)
Die schlechten Erfahrungen von vor über zwanzig Jahren sind längst vergessen, der milliardenschwere Simon Masrani (Irrfan Khan) hat mit „Jurassic World“ und den nachgezüchteten Dinosauriern einen florierenden Freizeitpark geschaffen. Damit das auch so bleibt, braucht es aber natürlich ständig neuer Attraktionen: größer, gefährlicher, cooler. Und diese Voraussetzungen erfüllt der genmanipulierte Indominus Rex allemal, mehr als Masrani lieb ist. Als der gefährlichen Bestie die Flucht gelingt, schwebt nun plötzlich die gesamte Insel in Gefahr, denn weder Mensch noch Dino können sich gegen das Raubtier zur Wehr setzen. Das stellen bald auch die beiden jungen Brüder Zach (Nick Robinson) und Gray (Ty Simpkins) fest, die sich nach einem Ausflug allein durch den Dschungel schlagen müssen. Da überall Chaos herrscht, bleibt ihrer Tante Claire (Bryce Dallas Howard), die eigentlich für die Sicherheit der Besucher zuständig ist, nichts anderes übrig, als sich selbst auf die gefährliche Suche nach ihren Neffen zu machen. Hilfe bekommt sie dabei von Owen (Chris Pratt), der selbst ein Sicherheits- und Dinosaurierexperte ist.
Wer fleißig Filme schaut und dabei auch auf die Besetzung achtet, weiß wie spannend es sein kann, die Karriereschritte von Schauspielern zu verfolgen, mitanzusehen, wie aus Nobodys Superstars werden, aus Superstars Exstars. Und das gilt natürlich auch für Regisseure, die zuvor eher mit kleineren Streifen von sich reden machten, plötzlich aber Teil von Multimillionen-Franchises sein dürfen. Dass der Horrorexperte Scott Derrickson (Sinister, Erlöse uns von dem Bösen) bei Doctor Strange einen Film über den unheimlichsten aller Marvel-Helden filmen darf, leuchtet irgendwo noch ein. Und auch bei den beiden Norwegern Joachim Rønning und Espen Sandberg dürften ihre Abenteuer-Erfahrungen bei Kon-Tiki eine wichtige Rolle gespielt haben, als sie den Zuschlag erhielten, Fluch der Karibik 5 zu drehen. Wie aber kommt jemand, der lediglich bei einer warmherzigen, reichlich skurrilen Indiekomödie Regie geführt hat (Journey of Love), zu der Ehre, das Reboot vom Spielberg-Klassiker Jurassic Park zu drehen? Kann so etwas passen?
Letzten Endes war es aber wohl ohnehin nicht übermäßig wichtig, wer hier denn nun Regie führt, ob der Regisseur Colin Trevorrow heißt oder nicht, denn Jurassic World hält sich so peinlich genau an das, was seinen Urahn 1993 zu einem Blockbuster machte, dass man hier von einem Déjà-vu-Erlebnis ins nächste stolpert. Für Fans ist das erst einmal eine gute Nachricht, denn sie werden hier viel Bekanntes finden und sich schnell zu Hause fühlen. Wenn wir das ikonische Holztor zu Beginn sehen, dazu die Musik von eins erklingt, dürften dem ein oder anderen auch die Tränen in die Augen schießen. Und auch optisch wurde hier aus den Vollen geschöpft: Die riesigen Urzeitechsen, die majestätisch durch die Landschaft schreiten – oder wild wüten –, das ist zusammen mit den wunderbaren Naturaufnahmen schon ein toller Anblick. Ganz so beeindruckend wie seinerzeit ist das jedoch weniger. Zwar wurde die Technik hier natürlich noch einmal in den letzten zwei Jahrzehnten verbessert. Doch die Konkurrenz hat das auch, Jurassic World kann allein deshalb schon nicht annähernd so visionär sein wie es der erste Teil damals war, zu sehr hat man sich als Zuschauer inzwischen an die optischen Tricks aus dem Computer gewöhnt.
Hinzu kommt, dass das Drehbuch – trotz vierer Schreiber – nicht gerade eine kreative Meisterleistung ist. So sehr wollte man den Film wohl zum Erfolg machen, dass jede Ecke und Kante sorgfältig weggebügelt wurde. Besonders auffällig ist das bei den stereotypen Figuren, die so blass bleiben, dass einem ihr Schicksal relativ egal ist. Egal ob nun der grobschlächtige Abenteurer, die kontrollsüchtige Business-Frau in High Heels, der fiese und allein aufs Geld bedachte Gegenspieler (hier von Vincent D’Onofrio dargestellt), der Nerd in der Zentrale, der dinobegeisterte Junge – hier wie auch anderswo versuchte man erst gar nicht, mehr draus zu machen, zusätzlich zum Bewährten auch eine eigene Note zu setzen, neue Erfahrungen zu liefern. „Mehr Zähne“ wird der Fortschritt an einer Stelle des Films auf den Punkt gebracht. Mehr wollen die Besucher nicht, mehr will auch der Film nicht.
Manch einer wird sich dann auch fragen: Ist das alles? Hätte es Jurassic World wirklich gebraucht? Das vielleicht nicht, gute Popcorn-Sommer-Blockbusterunterhaltung wird aber allemal geboten, die Formel mag etwas altbacken sein, hat sich aber nicht ohne Grund bewährt. Schöne Bilder, exotische Kulissen, im weiteren Verlauf reichlich Action, manches davon auch spannend, das reicht, um zwei Stunden die Zeit vergessen. Aufgelockert wird das Ganze durch humorige Dialoge und gerade zu Beginn durch einige sehr nette satirische Spitzen auf die menschliche Sensationsgier und zynische Parkattraktionen.
Wenn ein gigantischer Wassersaurier aus dem Becken springt und nach einem weißen Hai schnappt, erinnert das nicht zufällig an Sea World und Konsorten, wo Tiere zu unserer Belustigung gehalten werden. Und direkt neben den gefährlichen Bestien wartet schon der Andenkenladen und ein Starbucks, damit der Besucher nicht nur seine Nerven, sondern nach Möglichkeit auch ein paar Scheine verliert. Die Dinos sind, zumindest im Film, zum Alltag geworden, eine weitere beliebige Unterhaltungsform neben Internet, Clubs oder Sportveranstaltungen. Und zu sehen, wie sich diese Natur wieder das zurückholt, was ihr genommen wurde, wie am Ende dieses absurde Kartenhaus in sich zusammenfällt (und natürlich die überheblichen Bösen ihre Strafe erhalten), lässt einen mit dem beabsichtigten Gefühl der Befriedigung zurück. Der Gerechtigkeit wurde genüge getan, alle haben etwas dazu gelernt – bis zum nächsten Mal, natürlich.
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