(„Soaked in Bleach“ directed by Benjamin Statler, 2015)
Am 1. April verschwand Nirvana-Frontmann Kurt Cobain aus einer Entzugsanstalt, in der er sich wegen seiner Heroinsucht einem Entzug unterzog. Seine Ehefrau Courtney Love beauftragte den Privatdetektiv und Ex-Polizisten Tom Grant mit der Suche nach ihrem Ehemann. Am 8. April fand ein Elektriker Cobains Leiche. Dieser hatte sich wenige Tage zuvor mit einem Kopfschuss das Leben genommen. Die Obduktion ergab, dass er eine sehr hohe Überdosis Heroin im Blut hatte. Des weiteren lag neben seiner Leiche ein handgeschriebener Abschiedsbrief. Eigentlich ein klarer Fall von Selbstmord. Doch Tom Grant hatte von Anfang an Zweifel an der offiziellen Version, und damit steht er nicht alleine dar. Im Internet kursieren eine Vielzahl von Theorien, aber dort kann bekanntlich jeder posten, was er will. Ob das, was man dort liest, wirklich der Wahrheit entspricht, weiß man nie. Einiger dieser Theorien klingen jedoch gar nicht so abwegig. Höchste Zeit also, dass jemand, der damals hautnah mit dabei war, sich zu dem damaligen Geschehen äußert, und dazu Stellung nimmt.
Wenn man sich mit Kurt Cobain beschäftigt, stößt man früher oder später zwangsläufig auf seinen Tod und die damit verbundenen Verschwörungstheorien. Beim Wort Verschwörungstheorie werden viele Menschen beiläufig grinsen und von da an we
ghören. Setzt man dieses Wort doch meistens in Zusammenhang mit Aliens oder irgendwelchen, meist unvorstellbaren, Verschwörungen in der Politik. Auch beim Wort Verschwörungstheoretiker denken viele gleich an Menschen, die mit Alufolie auf dem Kopf rumlaufen und aus Angst vor Verfolgung keine elektronischen Geräte benutzen und in einem Wohnwagen wohnen. Doch das Wort Verschwörung bedeutet eigentlich nur, dass zwei oder mehrere Personen etwas gegen eine Person planen, wie zum Beispiel einen Mord. Selbst wenn man sich mit solchen Intrigen beschäftigt, bedeutet dass nicht, dass man zwangsläufig an eine andere Version als alle anderen glaubt. Es bedeutet lediglich, dass man die offizielle Version in Frage stellt, und genau das ist es, was Regisseur Benjamin Statler in enger Zusammenarbeit mit Tom Grant getan hat. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Wie man es von einigen Dokumentationen gewohnt ist, kommen auch bei Kurt Cobain – Tod einer Ikone sehr viele Interviewpartner zu Wort. Am meisten zu sagen hat natürlich Tom Grant, aus dessen Erinnerungen und Aufzeichnungen hier berichtet wird. Zu Beginn kommen auch ehemalige Freunde und Weggefährten Cobains zu Wort. Was sie berichten ist nicht unbedingt sehr informativ, dafür aber umso emotionaler. Für die Informationen sind wie schon gesagt der Privatdetektiv Tom Grant, sowie der damalige Polizeichef und einige Gerichtsmediziner zuständig. Was nach ihren ersten Äußerungen schnell klar wird ist, dass die damaligen Ermittlungen völlig fehlerhaft waren und schlampig ausgeführt wurden. Doch was noch viel erstaunlicher ist, sind die Indizien, die sie hervorbringen, die gegen einen Selbstmord und für einen Mord sprechen. Diese werden hier strukturiert genannt und besprochen, wobei das damalige Verhalten der Polizei immer fragwürdiger wird. Es gibt so viele Anhaltspunkte, die es verbieten, dass man nach ersten Untersuchungen des Tatortes auf Selbstmord schließt. Hintergrundbefragungen und -untersuchungen hätten diese These belegen können, doch leider wurden die Ermittlungen viel zu schnell ad acta gelegt. Wenn man sich schon vorher etwas intensiver mit Kurt Cobain und dessen Tod auseinandergesetzt hat, so wird man in dieser Dokumentation zwar nur wenige neue Informationen finden, doch schon allein wegen der fachmännischen Kommentare und Belege sollte man sie sich doch angucken.
Was man außerdem noch erwähnen muss ist, dass sich hier niemand hinstellt und behauptet, dass Kurt Cobain ermordet wurde. Sie zweifeln lediglich, mit Hilfe ihrer Indizien, die offizielle Version an. Ebenso wenig wird gesagt, dass Cobains Witwe Courtney Love den Mord an ihrem Ehemann in Auftrag gegeben hat. Nichtsdestotrotz kommt sie bei dieser Dokumentation gar nicht gut weg. Bei den damaligen Ermittlungen hat sie nicht nur Lügen aufgestellt, sondern auch wichtige Informationen zurückgehalten, was durch originale Telefonmitschnitte schnell belegt wird. Dennoch muss man hier sagen, dass Love selber nicht zu Wort kommt und die damaligen Ereignisse nicht aus ihrer Sicht schildern kann. Doch bei all den Anschuldigungen, die ihr hier indirekt gemacht werden, ist es schwer vorzustellen, dass sie sich für alle rechtfertigen könnte.
Was Benjamin Statlers Film noch besonderer macht, sind die eingespielten „drama sequences“, in denen Schauspieler verschiedene Situationen von damals nachstellen. Vor allem die Szenen mit Tom Grant (Daniel Roebuck) erinnern einen an einen alten Detektivfilm. Dank diesen Sequenzen kann man sich die damaligen Ereignisse viel besser vor seinem geistigen Auge vorstellen. Darüber hinaus sorgt die dort erzeugte düstere Stimmung dafür, dass man als Zuschauer noch stärker in das Geschehen hineingezogen wird und so gebannt vor dem Bildschirm verharrt und auf die nächste schockierende Enthüllung von damals wartet.
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