(„Samurai Champloo“ directed by Shinichirō Watanabe, 2004)
Nachdem wir letzte Woche mit Es war einmal … das Leben einen Ausflug in die Biologie gemacht haben, steht in Teil 60 unseres fortlaufenden Animationsspecials Geschichte auf dem Stundenplan. So richtig lehrreich wird es dabei zwar nicht, unterhaltsam dafür umso mehr.
Das erste Aufeinandertreffen der Teehaus-Angestellten Fuu, des Gesetzlosen Mugen und des herrenlosen Samurais Jin war für alle Beteiligten nicht unbedingt glücklich: Nach einer heftigen Auseinandersetzung ist das Teehaus Asche, der Sohn des Magistraten ist tot, Mugen und Jin des Mordes wegen zum Tode verurteilt. Die nun arbeitslose Fuu hilft den beiden zu entkommen, hat dafür aber eine Forderung: Sie müssen sie als Bodyguard auf ihrer Reise begleiten, wenn sie nach dem Samurai sucht, der nach Sonnenblumen duftet.
So schön es auch ist, gleich mit seinem ersten großen Solowerk einen weltweit verehrten Volltreffer zu landen, für die Arbeit danach ist das nicht unbedingt förderlich, müssen nun doch astronomisch hohe Erwartungen erfüllt werden. So erging es Shinichirō Watanabe, dessen Cowboy Bebop vor allem im Westen einen geradezu sakrosankten Kultstatus genießt, und der sich anschließend recht viel Zeit ließ. Sieht man einmal von Cowboy Bebop – Der Film ab, der 2001 folgte, sowie seiner Beteiligung an Animatrix, mussten die neugewonnen Fans ganze sechs Jahre warten, bis mit Samurai Champloo eine zweite Serie des Regisseurs über die Fernseher flimmerte. Enttäuscht wurde vom Ergebnis jedoch niemand, meistens wird dieser Anime in einem Atemzug mit seinem Durchbruchstitel genannt. Was auch damit zusammenhängt, dass trotz des Wechsels von der Zukunft ins alte Japan vieles hier doch sehr ähnlich ist.
So muss man auch bei Samurai Champloo auf einen tatsächlichen roten Faden verzichten. Sicher gibt es die Rahmenhandlung um die Suche nach dem mysteriösen Samurai, doch das ist mehr der Aufhänger, damit das Trio das Land bereisen und dabei allerlei skurrilen Figuren begegnen darf. Die meisten dieser Begegnungen sind inhaltlich unabhängig voneinander, die sehr episodenbestimmte Serie ähnelt damit anderen Reise-Anime wie Kino’s Journey oder Mushi-Shi. Innerhalb dieser Episoden ist dann auch inhaltlich wieder alles möglich, Genregrenzen halten meist nur die 24 Minuten lang, die eine Folge nun mal braucht. Zwar ist dieses Mal der Comedyanteil etwas dominanter, einige Einfälle wie der Esswettbewerb oder das erste Baseballturnier sind herrlich albern. Zwischenzeitlich wird es aber auch immer mal wieder tragisch. Oder spannend, denn Actionszenen sind keine Seltenheit, kaum eine Folge vergeht, wo nicht mit Schwertern, Kanonen oder sonstigen Waffen aufeinander losgegangen wird.
Diese Auseinandersetzungen sehen dann auch sehr gut aus, so wie Samurai Champloo visuell allgemein ein Fest ist. Das Animationsstudio Manglobe (Deadman Wonderland, Samurai Flamenco), welches erst zwei Jahre zuvor von ehemaligen Mitarbeitern des Traditionsstudios Sunrise gegründet worden war, liefert bei seiner ersten Fernsehproduktion bereits einen Einstand nach Maß ab. Die Animationen, gerade bei den temporeichen Kämpfen, sind auf einem guten Niveau, die Hintergrundmalereien geradezu verschwenderisch. Die Figuren wiederum haben oft etwas Stilisiertes und Comichaftes an sich, die manchmal in ihren experimentellen Momenten mehr an Mind Game oder Mutant Aliens erinnern als an einen herkömmlichen Anime, was mit den Bildern des traditionellen Japans natürlich nicht ganz harmoniert.
Doch genau das war eine bewusste Entscheidung, wie der Titel bereits angibt: Champloo, oder auch Canpurû genannt, kommt aus dem Okinawa-Dialekt und bedeutet dort etwas vermischen. Und vermischt wird hier so einiges: Mit seinem inzwischen sprichwörtlichen Stilbewusstsein kreuzt Watanabe Jahrhunderte alte Geschichte mit einem jazzgetönten Hip-Hop-Soundtrack, lässt das Geschehen am Anfang hektisch vor- und zurückspulen, dem Scratchen einer Schallplatte ähnlich, kommentiert Ereignisse aus der Zukunft oder setzt Elemente aus dieser hier ein; zusammen mit den häufigen Genrewechseln gleicht Samurai Champloo einer Wundertüte, bei der man nie so genau weiß, was einen als nächstes erwartet. Glücklicherweise ist das meiste davon jedoch auf einem hohen Niveau, es werden zwar vielleicht nicht die ganz großen Höhen von Cowboy Bebop erreicht, dafür gibt es diesmal aber auch keine Ausschläge nach unten. Zum Pflichtprogramm von Animefans gehört damit auch Watanabes zweite Serie, umso schöner, dass sie seit Kurzem hierzulande das erste Mal auf Blu-ray vorliegt, was die ohnehin schon ansehnliche Optik dann noch einmal aufwertet.
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