(„The Imitation Game“ directed by Morten Tyldum, 2014)
Er spricht kein Wort Deutsch, hasst jede Form von Teamarbeit – nicht die beste Voraussetzung, um zusammen mit anderen verschlüsselte Botschaften der Deutschen zu entziffern. Aber der englische Mathematiker Alan Turing (Benedict Cumberbatch) gilt mit seinen Theorien zu Rechenmaschinen nun mal als Koryphäe auf seinem Gebiet und schafft es Commander Denniston (Charles Dance) davon zu überzeugen, dass er in der Lage ist, den Verschlüsselungsapparat Enigma zu knacken. Wirklich glücklich sind die sonstigen Mitglieder des geheimen Teams nicht über den Neuzugang, vor allem Hugh Alexander (Matthew Goode) kann nur wenig mit dem arroganten Sonderling anfangen. Turing lässt sich von den Widerständen jedoch kaum beirren, reißt bald das Kommando an sich und holt die Puzzleexpertin Joan Clarke (Keira Knightley) mit ins Boot.
Um rund zwei Jahre wurde der Zweite Weltkrieg durch die Entschlüsselungskünste von Turing und der anderen verkürzt, so schätzen Historiker, 50 Jahre blieb die Abteilung des englischen Geheimdienstes unter Verschluss. Das ist natürlich der Stoff, aus dem Helden und Oscargewinner gemacht sind. Dabei gibt sich The Imitation Game sichtlich Mühe, den verschrobenen Mathematiker als alles andere darzustellen, nur nicht als Helden. Schon bei seinem ersten Auftritt, wenn er Denniston von seinen Fähigkeiten zu überzeugen versucht, mangelt es ihm nicht an einem Ego, an zwischenmenschlicher Raffinesse dafür umso mehr. Und auch im weiteren Verlauf wechseln seine Charakterzüge munter zwischen herablassend, egoistisch, unbarmherzig und sozial gestört hin und her – nicht unbedingt die beste Voraussetzung, um als Sympathieträger zu dienen.
Aber um die Figuren geht es hier ohnehin nur peripher. Ob es nun die Leute vom Geheimdienst sind, die vom Militär oder auch Turings Kollegen, man erfährt hier über niemanden etwas. Auch Clarke bleibt relativ blass: Es gibt ein paar Konflikte mit ihren Eltern, die in ihrer Tochter ein Heimchen am Herd sehen wollen, auch die offizielle Geringschätzung von Frauen wird in einer fast schon komischen Szene kurz gestreift, dazu wird verraten, wie gut sie im Lösen von Puzzlen ist. Das war es dann aber auch schon. Ihre komplexe Beziehung zu Turing wird nie so richtig schlüssig erklärt, unklar bleibt, warum ausgerechnet sie und nur sie zu dem Mathematiker durchdringt.
Der einzige, der überhaupt etwas näher beleuchtet ist, ist Turing. Aber auch da beschränkte man sich auf Flashbacks aus seiner Kindheit, die Gegenwart – gerade auch seine Homosexualität, die ihm am Ende zum Verhängnis wurde – wird eher spärlich bedacht. Und doch ist der von Komplexen und Konflikten getriebene Mann eine faszinierende Gestalt, Benedict Cumberbatch wegen. Ein Wunder ist das nicht, durfte er doch in drei Staffeln von Sherlock zeigen, dass ihm sozial gestörte Genies liegen. Tatsächlich erinnert The Imitation Game an einigen Stellen frappant an die Kultserie, weshalb die Schauspielleistung zwar vielleicht nicht neu, doch aber sehr unterhaltsam ist.
Überzeugt The Imitation Game als Drama und Biografie nur teilweise, so liegt die eigentliche Stärke in der unglaublich spannenden Geschichte, die uns eine ganz andere Seite des Zweiten Weltkriegs zeigt. Von dem bekommt man hier zwar nicht viel mit – es gibt ein paar historische Bilder, ansonsten leben Turing und die anderen relativ zeitlos und seltsam losgelöst vom Weltgeschehen –, das Gefühl gegen die Uhr anzurennen, wird hier aber gut vermittelt. Wer den Film Anfang des Jahres im Kino verpasst hat, darf das nun nachholen und in den eigenen vier Wänden kräftig mitfiebern, wie eine kleine Gruppe von Leuten unbemerkt den Krieg beeinflussten, welche Hindernisse sie zu überwinden hatten, und wie einfach am Ende eine Lösung sein kann.
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