(„Fehér Isten“ directed by Kornél Mundruczó, 2014)
Die junge Lili (Zsófia Psotta) liebt ihren Hagen über alles, ein Gefühl, das von dem treuen Hund auch bedingungslos erwidert wird. Lilis Vater Daniel (Sándor Zsótér) jedoch hegt sehr viel weniger Sympathien dem Tier gegenüber, gehört es doch seiner Exfrau, mit der er schon lange zerstritten ist. Als er auch noch Geld für Hagen ausgeben soll, da auf eine solche Promenadenmischung hohe Steuern fällig sind, steht für Daniel fest: Der Hund muss weg. Ausgesetzt und auf sich allein gestellt durchlebt der Verstoßene ein Martyrium, wird gefangen, gejagt, misshandelt. Während sich Hagen anderen Zeitgenossen anschließt, hat Lili die Hoffnung nicht aufgegeben, ihren treuen Freund zurückzubekommen und sucht in der ganzen Stadt nach ihm.
Er würde nie mit Kindern oder Tieren arbeiten wollen, soll Alfred Hitchcock einmal gesagt haben. Vorstellbar wäre eine solche Aussage bei ihm, waren unkontrollierbare Figuren kaum mit seiner Arbeitsweise vereinbar. Einen Film wie Underdog zu drehen, wäre aber auch für die meisten seiner Kollegen ein Alptraum gewesen. Nicht nur, dass ein Mädchen die menschliche Hauptrolle spielt, die Geschichte dreht sich später fast ausschließlich um Hunde. Große Hunde, kleine Hunde, schwarze, weiße, braune, starke, schwache, hässliche, niedliche – der Ungar Kornél Mundruczó fährt so ziemlich alles auf, was die Gattung hergibt. Beeindruckend ist aber nicht nur die Menge an Vierbeinern, sondern auch mit welcher Zielgenauigkeit sie hier eingesetzt werden: Wenn sie in Massen durch die Gegend rennen, flüchten oder jagen, mag man sich erst gar nicht vorstellen, mit vielen Mühen es verbunden war, diesen Effekt herzustellen und die Tiere dazu zu bringen, wirklich genau das zu machen, was man von ihnen erwartete.
Und doch ist Underdog eben nicht einfach nur ein Tierfilm, womöglich einer, mit dem kleine Kinder ins Kino gelockt werden sollen. Dafür sorgt bereits, was anschließend mit Hagen passiert, wie er von Mensch zu Mensch weitergereicht wird, oft gequält, nie als ein vollwertiges Lebewesen angesehen. Mit einer erschütternden Eindringlichkeit zeigt Mundruczó, wie ein treues und herzensgutes Schoßtier durch den Menschen zu einem Monster gemacht wird. Die Misshandlung mag man wörtlich verstehen, eine Anklage der menschlichen Arroganz anderen Lebensformen gegenüber, die oft nicht mehr als ein Mittel zum Zweck für sie sind. Aber Underdog funktioniert auch als Allegorie darauf, wie wir mit unserem menschlichen Umfeld umgehen, Schwache und Minderheiten unterdrücken, andere für unsere Zwecke nutzen.
Während eben diese Szenen fesseln und faszinieren, an manchen Stellen auch an den Zeichentrickklassiker Die Hunde sind los erinnern, ist die Handlung um die nach ihrem Liebling suchende Lili deutlich weniger interessant. Die Erwachsenen sind lediglich stereotype Despoten, die sich über Kind wie Tier gleichermaßen hinwegsetzen. Aber auch die Momente, in denen die Jugendlichen interagieren, hätten mehr Tiefe vertragen, wirken zu losgelöst und versprengt, vielleicht auch belanglos, um mit den Hundeaufnahmen Schritt halten zu können. Doch auch wenn das Niveau nicht durchgängig erstklassig ist, zum Schluss hin das Drama zusätzlich in groteske Horrorbereiche vordringt, beeindruckend ist die europäische Koproduktion ohne jeglichen Zweifel, ein selten seltsamer Film in deutschen Kinos. Freunde des Ungewöhnlichen sollten sich das nicht entgehen lassen, denn etwas Vergleichbares wird man so bald wohl nicht mehr zu sehen bekommen.
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