(„96 Minutes“ directed by Aimee Lagos, 2011)
Eigentlich waren die hübschen Studentinnen Carley (Brittany Snow) und Lena (Christian Serratos) längst auf dem Weg nach Hause gewesen, um den Tag zu vergessen. Doch als sie Dre (Evan Ross) und seinem Kumpel Kevin (J. Michael Trautmann) begegnen, überstürzen sich die Ereignisse so sehr, dass keiner der Beteiligten diese 96 Minuten noch einmal vergessen wird: Lena liegt angeschossen in dem Auto, kämpft um ihr Überleben, und die beiden Jungs suchen fieberhaft nach einer Lösung, wie sie doch noch aus dem Schlamassel kommen.
Man beginne einen Film mit einer hoffnungslos verfahrenen Situation, vielleicht auch einer besonders absurden, und erklärt danach, wie es zu dieser kam – so lautet ein beliebtes Erfolgsrezept, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Vor allem bei Komödien ist diese Mechanik gang und gäbe, so weckten etwa Hangover oder Nicht mein Tag auf diese Weise erfolgreich die Neugierde. Bei 96 Minuten gibt es zwar nur sehr wenig zu lachen, aber auch hier geht der Plan auf: Die fragmentarische Erzählweise verbunden mit zahlreichen Flashbacks geht gleich zu Beginn in die Vollen, spannt einen auf die Folter, was denn hier eigentlich gerade passiert. Erst nach und nach gibt der Film so seine Geheimnisse preis, während parallel die Gegenwart weiterläuft.
Gegenwart und Vergangenheit, beides ist Regisseurin und Drehbuchautorin Aimee Lagos zufolge von Trostlosigkeit geprägt, von dem Mangel an Hoffnung in den unteren Schichten. Dre und Kevin sind in ihrem Ghetto gefangen, ohne dass sich wirklich eine Perspektive bieten würde. Während Dre zumindest aber noch versucht, irgendwie ein besseres Leben zu finden, hat sich Kevin längst dem Status Quo ergeben. Mehr noch: Er findet genau darin Trost, vergisst seine sich prostituierende Mutter durch halbstarkes Getue und Gangsterallüren, sucht nichts mehr als die Anerkennung durch die Kleinkriminellen in seinem Viertel.
Eine Scheu vor Klischees hat Lagos also sicher nicht, auch nicht bei den beiden Mädels im Auto, die nicht nur der Hautfarbe wegen hier sehr blass bleiben. So wahnsinnig viel erfährt man aber ohnehin nicht über das Quartett, sie sind nicht mehr als ein zuweilen willkürlich handelndes Mittel, um die wachsende Kluft zwischen arm und reich anzuprangern, dazu gibt es noch ein wenig Kritik an latentem Rassismus von Seiten der Behörden. Das ist sicher gut gemeint, hat der Gesellschaftsdebatte aber nur relativ wenig hinzuzufügen. Allzu viel Substanz abseits der Gemeinplätze sollte man hier also besser nicht erwarten, als Drama ist 96 Minuten zu oberflächlich.
Kurzweilig ist die US-Produktion jedoch, selbst als die Rekonstruktion der Ereignisse bereits abgeschlossen ist, will man wissen, wie es denn nun ausgeht, ob die Mädels es wieder heil nach Hause schaffen. Zudem ist das Ganze gut gespielt, immer wieder kommt es zu intensiven Momenten, die einen auf dem Sessel weiter nach vorne rutschen lassen. Auch wenn man mit etwas mehr Tiefenarbeit sicher noch mehr hinbekommen hätte als ein „nur“ solides Thrillerdrama, so ist der Beitrag vom Fantasy Filmfest 2012 für einen Videoabend doch ein sehr brauchbares Anschauungsmaterial. Viele Erkenntnisse wird man nicht davontragen, aber die gut anderthalb Stunden sind recht schnell vorbei.
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