(„Amour Fou“ directed by Jessica Hausner, 2014)
Das Leben ist sinnlos, dafür zu kämpfen auch – so zumindest die Überzeugung von Heinrich von Kleist (Christian Friedel). Anstatt sich dem Schicksal zu ergeben, beschließt er daher, den Zeitpunkt seines Todes selbst festzulegen. So die Theorie. In der Praxis jedoch hätte er gerne in dem Moment jemanden an seiner Seite, jemand, der mit ihm zusammen Selbstmord begeht. Nachdem seine große Liebe Marie (Sandra Hüller) davon nichts wissen will, kommt ihm eine Alternative in den Sinn: Henriette Vogel (Birte Schnoeink), die Frau einer Geschäftsbekanntschaft. Und so versucht er sie davon zu überzeugen, dass ihr Mann Friedrich Louis Vogel (Stephan Grossmann) sie gar nicht wirklich liebt und sie deshalb doch mit ihm den Todespakt schließen könnte.
Heute gilt Heinrich von Kleist als großer Dichter und Dramatiker, zu Lebzeiten sah das aber ganz anders aus: Seine Werke wurden Anfang des 19. Jahrhunderts mit Verachtung gestraft, sein Stück „Prinz von Homburg“ sogar verboten. Seines Lebensinhaltes beraubt und nahezu mittellos beschloss der Autor daher, sich zusammen mit seiner Freundin Henriette Vogel das Leben zu nehmen. Regisseurin und Drehbuchautorin Jessica Hausner nahm sich des berühmten Doppelselbstmordes an und erzählt die tragischen Hintergründe auf eine ganz eigene, sehr überraschende Art und Weise.
Unerwartet kommt beispielsweise der doch sehr prominente Humor: Anders als man es angesichts des Themas erwarten könnte, ist Amour Fou kein Drama oder zumindest nur zum Teil. Gerade von Kleists Versuche, Gleichgesinnte für seinen Freitod zu finden, münden oft in reichlich absurden Situationen – nicht zuletzt durch seine unglaublich verschrobenen Argumentationen. Witzig sind aber auch die trockenen Kommentare von Henriettes herrschsüchtiger Mutter (Barbara Schnitzler) oder der Running Gag, dass andauernd irgendwelche Hunde mit im Bild sind, die teilnahmslos ins Bild starren, selbst dann wenn die Gesellschaft mal wieder nicht immer gelungene Gesangseinlagen zum Besten gibt.
Gleichzeitig macht dies Amour Fou aber auch sehr unnahbar, ein Film, von dem man gar nicht so genau weiß, was er denn nun eigentlich will. Für eine tatsächliche Biografie ist die Geschichte zu verfälscht, für eine Komödie zu unentschlossen, für ein Drama zu leblos. Der letzte Eindruck wird noch weiter durch die steifen Dialoge von damals verstärkt, die eher abgelesen denn gefühlt wirken, trotz der guten Ensembleleistungen hat man hier nie den Eindruck, es mit tatsächlichen Menschen zu tun zu haben.
Und auch die Inszenierung tut viel dafür, die Genremischung als nicht ganz real erscheinen zu lassen. So sind fast alle Szenen mit starren Kameraeinstellungen gedreht. Zwar kommt es zu Schuss-/Gegenschussaufnahmen, eine eigentliche Bewegung fehlt aber zumeist völlig. Stattdessen sitzen die Beteiligten herum, manchmal liegen sie auch, essen, trinken oder singen eben, als wäre Amour Fou in seinem Herzen eigentlich ein Theaterstück, das (Ab-)Leben eine Bühne. Nur zum Schluss kommt die eine oder andere Kamerafahrt hinzu, dann wenn auch der Komödienteil allmählich beiseitegeschoben wird, wir auf das dramatische Finale hinzugehen.
Es ist ein seltsamer Film, mit dem Hausner uns den Literaten näherbringen will, reizvoll und ereignislos, komisch und erschreckend, nachdenklich und oberflächlich. Ein Film, der einen unterhält, einige schöne Naturaufnahmen und Kostüme bietet, einen gleichzeitig aber auch irgendwie irritiert zurücklässt.
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