(„Nemesis“ directed by David Tucker, 1987)
Es ist eine seltsame Aufgabe, die ihr verstorbener Bekannter Jason Rafiel (Frank Gatliff) ihr da aufgetragen hat: Wenn Jane Marple (Joan Hickson) auf einer Rundreise zu Englands Herrenhäusern und Gärten ein Rätsel löst sowie für Gerechtigkeit sorgt, soll sie 20.000 Pfund erhalten. Worum es dabei geht, wird nicht verraten, nicht einmal von welchem Rätsel die Rede ist und wodurch sie es erkennen soll. Doch es ist gerade dieses Mysterium, welche die Neugierde der Hobbydetektivin mit dem großen Interesse für alles Zwischenmenschliche weckt. Und so macht sich Miss Marple mit ihrem Neffen Lionel Peel (Peter Tilbury) auf den Weg, das Rätsel zu lösen.
Auch wenn Ruhe unsanft der posthum erschienene Roman mit Miss Marple offiziell der letzte ist, der letzte, den Agatha Christie über die scharfsinnige Altjungfer tatsächlich geschrieben hat, war der 1971 veröffentlichte Das Schicksal in Person. Und selbst wenn die beliebte Krimireihe nie ein offizielles Ende fand, so machte sich die späte Entstehung hier doch an einigen Stellen bemerkbar – im Buch wie in der BBC-Verfilmung von 1987. Ein Jungspund war die Dame literarisch ja nie gewesen, selten wie nie zeigte sich hier aber ihr weit fortgeschrittenes Alter: Die Ermittlerin führt Selbstgespräche, redet unzusammenhängendes Zeug, schläft auf einer Parkbank während einer Besichtigung ein. Mit der resoluten Hobbydetektivin, wie sie Margaret Rutherford einst verkörperte, hat das nur noch den Namen gemeinsam.
Aber es ist eben dieser Kontrast zwischen dem unscheinbaren, fast bemitleidenswerten Äußeren und dem hellen Verstand, zwischen der reizenden, alten Dame und der von Rafiel stammenden Beschreibung eines unbarmherzigen Bluthunds, welcher der 12-teiligen Reihe und insbesondere Das Schicksal in Person seinen besonderen Reiz gibt. Hinzu kommen die besonderen Umstände, dass Miss Marple sich hier auch noch auf einer Kaffeefahrt befindet und somit fast ausschließlich von älteren, netten Menschen umgeben ist. In diesem Umfeld einen Mörder zu suchen, das birgt einiges an komischen Potenzial, welches jedoch kaum genutzt wird, skurrile oder gar satirische Elemente wird man hier vergeblich suchen, dafür nimmt sich die Geschichte dann doch zu ernst.
Spannend ist der Fall aber dennoch, gerade auch weil es wie im thematisch in vielerlei Hinsicht ähnlichen Ruhe unsanft um ein weit zurückliegendes Verbrechen geht. Anders als dort ist der Zugang diesmal geschickter konstruiert – anstatt umständlich den Weg über ohnehin unglaubwürdige Kindheitserinnerungen zu gehen, zieht hier ein verstorbenes Mastermind die Fäden. Damit erübrigt sich auch ein „Problem“, das viele Christie-Krimis plagte: Es müssen nicht bar jeder Logik alle Tatverdächtigen zusammengetrommelt werden, hier wurden sie stattdessen gezielt eingeladen. Wobei man sich auch darüber streiten kann, ob es sich denn nun tatsächlich um Tatverdächtige handelt. „Sind sie meine Freunde oder meine Feinde“, wundert sich Marple an einer Stelle über ihre Mitreisenden. Und das Publikum tut es ihr gleich, schließlich hat hier keiner ein augenscheinliches Motiv. Stattdessen scheinen sie alle wissen zu wollen, was denn damals nun passiert ist.
Die Auflösung wird dem Aufbau leider dann auch nicht gerecht, klaut zuviel aus dem reichhaltigen Christie-Fundus zusammen. Und auch bei der Umsetzung des Romans haben sich einige Mängel eingeschlichen. Während Ausstattung und Besetzung wie immer tadellos sind, nahm man sich bei der Geschichte diverse Freiheiten. Der neu hinzugefügte Neffe Peel stört dabei nicht weiter, auch die diversen Auslassungen sind angesichts des begrenzten Platzes zu verschmerzen. Recht unglücklich ist hingegen die Entscheidung, aus Rafiels Sohn Michael (Bruce Payne) einen Tramp zu machen anstatt einen Insassen, denn vieles ist dadurch nicht mehr wirklich plausibel. Insgesamt aber hält sich der Fernsehfilm recht nah an die Vorlage und ist daher für Krimifans mit Rätselvorliebe noch immer empfehlenswert. Viel Action sollte man wie üblich dabei nicht erwarten, hier wird vor allem geredet, weniger gehandelt. Schade ist nur, dass man sich bei den Verfilmungen nicht an die Chronologie der Bücher hielt. Das ist meistens zwar kein großes Problem. Hier jedoch geht tatsächlich etwas verloren, schließlich war Jason Rafiel eine bedeutende Figur in Karibische Affäre, die als Filmversion erst zwei Jahre später und mit einer anderen Besetzung lief. Die häufigen Verweise auf eine gemeinsame Vergangenheit von Marple und Rafiel verpuffen so etwas unnötig im Nichts.
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