(„The Alphabet Murders“ directed by Frank Tashlin, 1965)
Wenn ein so berühmter Detektiv wie Hercule Poirot (Tony Randall) Gast in deinem Land ist, dann bedeutet das große Ehre und große Verantwortung zugleich – schließlich wäre es ein Publicitydesaster, wenn ihm etwas zustoßen sollte, während er sich gerade bei dir aufhält. Aus diesem Grund möchte das englische Königshaus den Belgier auch schnellstmöglich wieder loswerden und schickt ihm dafür den Geheimagenten Hastings (Robert Morley) hinterher. Doch Poirot denkt gar nicht dran, wieder zu verschwinden, nicht so lange da diese seltsame Mordserie ist, bei der sich alles um Buchstaben zu drehen scheint. Als ihm auch noch die mysteriöse Amanda Beatrice Cross (Anita Ekberg) über den Weg läuft, steht für ihn fest: Komme, was wolle, er wird dieses Verbrechen aufklären und dafür so lange bleiben, wie eben nötig.
Wer ist der ultimative Darsteller von Agatha Christies berühmten Privatdetektiv? Ist es Albert Finney in dem mehrfach oscarnominierten Mord im Orientexpress? Peter Ustinov, der von Tod auf dem Nil bis Rendezvous mit einer Leiche sechs Mal den belgischen Schnüffler verkörperte? Oder eben doch David Suchet, der von 1989 bis 2013 tatsächlich sämtliche Romane und Kurzgeschichten mit Hercule Poirot schauspielerisch umsetzte? Im Schatten der drei Lichtgestalten tummeln sich aber noch rund zehn weitere Schauspieler, die sich ein- oder mehrmals an der literarischen Figur versuchen durften, heute jedoch größtenteils in Vergessenheit geraten sind.
Tony Randall ist eine dieser Karteileichen, obwohl er lange vor dem Trio bereits zum Einsatz kam und dabei prominente Unterstützung erhielt: Margaret Rutherford und Stringer Davis haben hier einen wunderbaren Gastauftritt in ihren Paraderollen Miss Marple und Mr. Stringer. Nicht nur deshalb drängt sich der Vergleich zu den kurz vorher erschienenen Christie-Verfilmungen auf, Die Morde des Herrn ABC teilt sich mit Vier Frauen und ein Mord und Mörder ahoi! auch das Drehbuchduo David Pursall und Jack Seddon. Die Machart ist dann auch ganz ähnlich, die Originalgeschichte wurde kräftig durch den Fleischwolf gedreht, der Krimiteil dabei reduziert, dafür gibt es viel Humor.
So versucht sich Poirot hier das Rauchen abzugewöhnen und kämpft seither mit Gewichtsproblemen, oder spricht auch schon mal direkt mit dem Publikum, um ihm zu versichern, dass es diesmal ganz bestimmt keine Leiche geben wird. Hastings wiederum ist ein nicht übermäßig talentierter Geheimagent, der völlig mit allem überfordert ist – eine dankbare Rolle für den auf skurrile Charaktere spezialisierten Robert Morley. Witzig ist das Ergebnis dann auch, wenngleich reichlich albern, Die Morde des Herrn ABC ist an vielen Stellen eher eine Krimiparodie als ein tatsächlicher Krimi.
Aber auch wer knifflige Fälle lösen mag, darf hier die eigenen kleinen grauen Zellen in Anspruch nehmen: Selbst in dieser stark verwässerten Form ist die Brillanz des Romans noch zu spüren, der einen mit einem gemeinen Trick auf völlig falsche Fährten führt. Mit den engen Rutherford-Verwandten kann es Die Morde des Herrn ABC trotz Humor, trotz einer guten Geschichte nicht ganz aufnehmen – dafür mangelt es Randall dann doch an einer vergleichbaren Leinwandpräsenz, dem Film insgesamt auch an spannenden Szenen. Isoliert von den allseits beliebten Klassikern ist aber auch die Poirot-Variante unterhaltsam, weshalb es schade ist, dass der Film hierzulande nie auf DVD erschien. Wer ihn trotzdem sehen möchte, muss auf einen USA-Import zurückgreifen oder auf YouTube, wo er in kompletter Länge auf Deutsch zu finden ist.
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