Dietrich Brüggemann
© Pete Rauhut

Dietrich Brügemann [Interview]

In deinem neuen Film Heil setzt du dich satirisch mit der rechten Szene, aber auch den Behörden auseinander. Wie bist du auf die Idee dafür gekommen?

Die Idee lag ja irgendwie auf der Straße. Als ich 2012 mit dem Drehbuch anfing, hörte ich von diversen Projekten, die irgendwie Nazis mit Komödie vermählen wollen. Aus den meisten wurde dann wohl doch nichts, aber „Er ist wieder da“ kommt ja aus derselben Denkrichtung. Das Buch war ein Riesenbestseller und das allein hat schon gezeigt, dass die Zeit reif ist, das Thema komisch aufzubereiten. Warum jetzt, kann ich nicht sagen. Vielleicht weil es mittlerweile doch ein langes Menschenalter her ist und damit automatisch mehr in einer historischen Schicht versinkt, wo die unmittelbare Betroffenheit aller Beteiligter nachlässt und ersetzt wird durch eine medial vermittelte Betroffenheit. Witze über Hitler und Nazis finde ich allerdings weiterhin problematisch, und mein Film handelt auch bewusst eben nicht davon, sondern von Deutschland hier und jetzt.

Selbst eigentlich Erfahrungen gemacht mit der heutigen rechten Szene?

Nur am Rand. Man fährt irgendwie nach Frankfurt an der Oder und hast dann irgendwelche Nazis, die in der Straßenbahn rumgröhlen. Oder man läuft durch Rostock und sieht dann Graffitiparolen oder so. Aber ich hatte keine wirklichen Interaktionen mit Neonazis. Muss auch nicht sein, denn der Film handelt ja von dem Bild, das die selbst von sich in der Öffentlichkeit produzieren. Und das haben wir mal für bare Münze zu nehmen.

Warum aber eine Komödie aus dem Stoff machen?

Komödie ist nun mal ein Filmgenre, das mir liegt. Im Herzen bin ich eigentlich ein Komödienregisseur. Das Thema bietet ja eine Menge Komik, die tatsächlich passiert ist. Der NSU-Skandal, alles was da war, das war ja eine einzige Groteske. In der Realität, wenn die Dinge wirklich passieren, sind sie entsetzlich. Aber wenn man sie in einen Film überträgt, dann wird daraus eine Farce.

Ich dachte nur, weil Kreuzweg zuletzt ja schon sehr ernst war.

Kreuzweg hatte aber auch seine komischen Momente, das wurde nur nicht so gesehen. Während der Premiere wurde an vielen Stellen auch herzlich gelacht, und das fand ich gut. Die englische Presse hat ihn auch fast als Komödie besprochen. Insofern: Die Filme, die ich bisher gemacht habe, haben alle Komik enthalten oder zugelassen, ohne deswegen aber gleich eine Komödie zu sein. Dieser lebt halt von Übertreibung und Zuspitzung und ist damit wirklich nur eine Komödie.

War es denn schwierig, Geld für den Film aufzutreiben?

Erst dachte ich, es ist unmöglich, dann wurde es aber erstaunlich einfach. Ohne den Preisregen für Kreuzweg wäre er aber vermutlich nicht entstanden, da hätte ich keine Chance gehabt. Angefangen zu schreiben habe ich den Film wie gesagt 2012 und habe damals noch gedacht: Das finanziert mir keine Sau, aber ich schreibe es jetzt trotzdem. Und nach dem Berlinale-Erfolg von Kreuzweg merkte ich, dass sich da gerade so ein Möglichkeitsfenster öffnet, das zu machen. Und dann wollte ich es schnell machen und habe alles mitgenommen, was ich kriegen konnte. Zwei Förderungen haben zugesagt, eine hat nicht zugesagt. Ein paar Sender kamen dann doch erstaunlich schnell an Bord. Aber ich dachte trotzdem die ganze Zeit vorher, dass wir den Film nicht machen werden. Wenn er einmal fertig ist, dann glaube ich es vielleicht, vorher aber nicht.

Ich konnte nach der Pressevorführung auch nicht glauben, dass man in Deutschland dafür Geld bekommen hat.

Vielleicht ändert sich da auch gerade was. Aber es gab schon von Seiten der Förderer Bedenken. Man hat auch teilweise nur unter Vorbehalt zugesagt: „Da müsst ihr aber noch am Drehbuch arbeiten!“

Und gab es dann noch Vorgaben?

Nee, ich glaube die Zeit ist vorbei, dass man nur dann Geld bekommt, wenn man genau das umsetzt, was sie wollen. Man hört zwar immer so Geschichten von ganz diktatorischen Einmischungen in Projekte. Ich selber habe das aber so noch nicht erlebt.

Und während des Drehs, hat sich da einer eingemischt?

Auch nicht. Die Redakteure der Sender schauen sich natürlich Muster an und geben dann auch Hinweise. Aber die nimmt man dann durchaus auch auf, denn möglicherweise ist da dann auch etwas, das man sich nochmal anschauen sollte.

Und wie war das bei den Schauspielern? Waren die schwer zu überzeugen?

Die waren alle begeistert und froh und dankbar. Ich habe auch nur ein einziges Casting gemacht, und zwar für die Rolle der Nina Schmidt, die dann Liv Lisa Fries übernommen hat. Den Rest habe ich einfach so besetzt. Und die waren alle mit Feuer und Flamme dabei. Auch Benno Fürmann, auf den wir erstaunlich spät verfallen sind. Es war eine Idee von Anna, die meinte, ob er nicht was für uns wäre. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Natürlich! Warum bin ich da nicht gleich drauf gekommen!“

Wieso ist Anna diesmal eigentlich relativ wenig dabei?

Ich habe diesmal das Drehbuch alleine geschrieben. Und das hat sich dann so ergeben. Und diese Rolle, die sie spielt, war auch nicht von Anfang an für sie gedacht. Aber dann kam sie eben doch dazu. Sie hat sich dann auch mit Begeisterung die Haare rasiert und sich mit vollem Einsatz in die Rolle hineingeworfen.

Kommen wir zu dir. Wie siehst du deine Rolle als Filmemacher?

Zumindest bei diesem Film schaut man sich die Welt an wie eine Hyäne eine vorbeiziehende Gazellenherde. Die Hyäne denkt: Ja, dieses Tier ist schwach und krank. Das kann ich reißen und fressen. So funktioniert auch eine Satire: Sie sucht sich die Schwachstellen heraus und schlachtet sie. Wobei man nicht vergessen darf, dass man selber andererseits auch nur ein Tier in der Herde ist, das jederzeit gefressen werden kann.

Und die Schwachstellen bei dem Thema hier sind …?

Immer dann, wenn sich irgendjemand idiotisch verhält. Das ist ein großes Festival der Idiotie, die aber auch aus einer gewissen Identifikation heraus glaube ich funktioniert. Ich glaube auch, dass das Publikum sich in dem einen oder anderen selber wiedererkennt.

Welche Reaktionen erwartest bzw. erhoffst du allgemein von dem Publikum?

Man erhofft tosenden Beifall, befürchtet betretenes Schweigen und Buh-Rufe und erwartet irgendwas dazwischen.

Du hast in den letzten Jahren vereinzelt den deutschen Film kritisiert. Ist es inzwischen besser geworden?

Es wird einfach zu viel produziert, und es geht zu viel in die allgemeinverständliche Mitte. Es ist selten, dass sich wirklich mal jemand etwas Radikales traut. Wenn das doch mal einer macht, kann es sein, dass er unglaublich gefeiert wird wie jetzt bei Victoria, der sofort in den Rang eines Klassikers erhoben wird. Was ja auch okay ist. Ich würde nur hoffen, dass das auch Konsequenz hat bei der Akzeptanz von mutigen Projekten. Aber da bin ich mir dann auch nicht so sicher. Diese Improbewegung macht viel und erreicht viel, und die kriegt mittlerweile auch ihre Filme finanziert. Da fehlt aber auch noch so ein großer Publikumserfolg. Aber das ist vielleicht auch zu viel verlangt und zu früh.

Wie stehst du denn zu diesen Improfilmen?

Ich mag die wahnsinnig gern. Nicht alle natürlich, man kann mit Improvisation einen wahnsinnig schlechten Film machen. Aber eben auch einen sehr guten. Das hängt immer essentiell an der Regieperson, die da die Fäden in der Hand hält und durch ihre Präsenz tatsächlich den Film formt. Ich mag diese Filme von Axel Ranisch oder den Lass-Brüdern einfach wegen ihres Blicks auf den Menschen.

Aber das wäre jetzt kein Vorbild für dich?

Ich arbeite einfach anders und schreibe lieber Drehbücher mit präzise geschriebenen Dialogen. Ich hätte aber schon Lust, mal einen „Wir ziehen spontan los“-Film zu machen. Warum nicht? Man stemmt sich ja immer irgendwie gegen den Apparat.

Was ist denn noch konkret geplant in der nächsten Zeit?

Es gibt allerhand Projekte, die aber alle noch in Frühstadien sind. Ich werde auf keinen Fall wieder so schnell einen Film drehen, wie es nach Kreuzweg passiert ist. Das ganze Jahr war schon sehr anstrengend, weil ich die ganze Zeit hin und her gehetzt bin zwischen Kreuzweg-Geschichten, dann an dem Drehbuch hier zu arbeiten und dabei zu denken: „Was soll das eigentlich alles? Du drehst das doch sowieso nicht.“

Dietrich Brüggemann
© Zora Rux

Dietrich Brüggemann wurde am 23. Februar 1976 in München geboren. Von 2000 bis 2006 studierte er Filmregie an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam, 2006 erschien mit dem Episodenfilm Neun Szenen seine erste abendfüllende Regiearbeit. Nach dem tragikomischen Renn, wenn du kannst über eine etwas andere Dreiecksgeschichte und der WG-Komödie 3 Zimmer/Küche/Bad folgte 2014 das Religionsdrama Kreuzweg. Ab dem 16. Juli läuft sein fünfter Film Heil im Kino, eine Satire auf die rechte Szene, aber auch den Umgang mit dieser.



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