(„The Murder at the Vicarage“ directed by Julian Amyes, 1986)
Gemocht hat Colonel Lucius Protheroe (Robert Lang) eigentlich niemand, viele hätten sogar seinen Tod gewünscht. Als das Ekelpaket ermordet aufgefunden wird, ist Jane Marple (Joan Hickson) daher auch alles andere als überrascht. Seltsam ist nur, dass es im Pfarrhaus geschah, und das auch noch am helllichten Tag, während Reverend Leonard Clement (Paul Eddington) und seine Frau Griselda (Cheryl Campbell) gerade nicht daheim waren. Der Verdacht fällt schnell auf Ann Protheroe (Polly Adams), die Witwe des Ermordeten, und ihren Liebhaber Lawrence Redding (James Hazeldine). Aber ganz so einfach ist das dann doch nicht, davon ist die scharfsinnige Nachbarin Miss Marple überzeugt.
Fans der altjüngferlichen Hobbydetektivin mussten ein wenig warten, bis sich die BBC „Mord im Pfarrhaus“ annahm: Ursprünglich 1930 erschienen handelt es sich dabei um den ersten Roman mit Miss Marple, in der zwölfteiligen Fernsehreihe kam die Suche nach Protheroes Mörder jedoch erst an fünfter Stelle. Warum man hier so deutlich von der Chronologie abwich, ist nicht ganz klar. Vielleicht ahnte man beim britischen Fernsehsender, dass der Fall nicht unbedingt der stärkste mit Agatha Christies beliebter Romanfigur war und entschied sich so für den Einstieg für das deutlich spannendere Die Tote in der Bibliothek.
Dabei bietet auch die zweite Verfilmung des Krimis – eine erste war bereits 1970 in Deutschland entstanden – viele bewährte und auch gelungene Elemente. Fabelhaft ist wieder einmal Joan Hickson, die als unscheinbare und naseweiße Ermittlerin der Polizei immer zwei Schritte voraus ist und diese damit in den Wahnsinn treibt. Schön sind dann auch die gemeinsamen Szenen mit dem örtlichen Polizisten Inspektor Slack (David Horovitch), der nach Die Tote in der Bibliothek seinen zweiten Auftritt in der Reihe hatte. Zwar kommt es hier nie zum offenen Schlagabtausch wie bei den Versionen mit Margaret Rutherford, den einen oder anderen bissigen Kommentar gibt es aber auch hier.
Ebenfalls gelungen ist die Darstellung des englischen Dorflebens, in dem Ratsch und Tratsch ein fester Bestandteil des Selbstverständnisses sind. Miss Marple ermittelt dann auch weniger im herkömmlichen Sinn, sucht keine Fußspuren oder weggeworfene Zigarettenstummel, überprüft keine Alibis. Stattdessen schaut sie einfach zu, was die anderen so treiben, unterhält sich mit ihren Mitbürgern und nutzt ihre Kenntnisse der menschlichen Natur, um so das Rätsel zu lösen. Das ist ein anderer Ansatz, als ihn viele Krimis verfolgen, ist in der Reihe oft reizvoll, hat jedoch den Nachteil, dass die Suche nach dem Täter dadurch manchmal etwas nebensächlich und wenig spannend wird. So auch hier.
Sieben mögliche Täter soll es geben, lässt Marple Slack wissen. Es wird in Mord im Pfarrhaus aber zu wenig dafür getan, diese auch wirklich als Charaktere zu etablieren – die meisten hier bleiben schon sehr blass. So wird etwa Dr. Haydock (Michael Browning) als Dauerverdächtiger präsentiert, ohne dass man je nachvollziehen kann, warum das so sein soll. Insgesamt bleibt in den rund 100 Minuten zu wenig Zeit, um die Geschichte zu entwickeln, und das obwohl im Vergleich zum Buch mehrere Figuren gestrichen wurden. Aber selbst wer über diese auch zeitbedingten Schwächen hinwegsieht, wird mit keinem besonders guten Kriminalfall belohnt. Die Auflösung mag überraschend sein, was aber auch daran liegt, dass sie gerade im Vergleich zu den sonst relativ geerdeten Marple-Romanen etwas umständlich ist und ein bisschen aus dem Nichts kommt. Und richtig viel passiert zwischen Mord und Ende auch nicht. Solide ist das Ergebnis zwar immer noch, gerade auch der guten Atmosphäre wegen, Rätselknacker bekommen mit anderen Teilen der Reihe aber mehr zu tun.
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