(„Sleeping Murder“ directed by John Davies, 1987)
Giles Reed (John Moulder-Brown) und seine junge neuseeländische Frau Gwenda (Geraldine Alexander) werden bei ihrer Suche nach einem gemeinsamen Heim bei einem alten Haus in der englischen Provinz fündig. Ein echtes Traumhaus, wäre da nicht Gwendas eigenartiges Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein, vor vielen Jahren. Als sie während einer Theateraufführung die plötzliche Vision einer ermordeten Frau vor sich sieht, nimmt sich Jane Marple (Joan Hickson) – die Tante eines Freundes – der Sache an. Und tatsächlich: Als Kind hat Gwenda schon einmal in dem Haus gelebt. Und das ist nicht das einzige Geheimnis, welches das neuvermählte Paar bald entdecken muss.
Auch wenn das 1976 posthum erschienene „Ruhe unsanft“ der offiziell letzte Roman von Agatha Christie war, geschrieben hat die englische Autorin den Krimi bereits 1940. Für die Chronologie der Miss-Marple-Geschichten hat dies jedoch kaum Auswirkungen, da hier anders als bei Hercule Poirots letztem Fall „Vorhang“ die Abschlussvorstellung der geistig wachen Hobbydetektivin keinen wirklichen Schlusspunkt markiert, nur ein weiteres Abenteuer für die alte Dame ist. Aus diesem Grund konnte die BBC das Buch auch problemlos als sechsten Film der 12-teiligen Miss-Marple-Reihe umsetzen, ohne einen Bruch befürchten zu müssen.
Am grundsätzlichen Prinzip hat sich im Vergleich zu den vorherigen Teilen auch nur wenig geändert, noch immer löst die unscheinbare, naseweise Altjungfer ihre Fälle überwiegend durch Gespräche. Und doch gibt es einige Punkte, die Ruhe unsanft zu einem recht ungewöhnlichen Marple-Fall machen. Zum einen tritt die Hobbydetektivin relativ selten in Erscheinung, die eigentliche Laufarbeit erledigt das junge Paar für sie. Bemerkenswert ist jedoch vor allem, dass die Geschichte nicht mit einem Mord und diversen Tatverdächtigen beginnt. Anfangs ist ja nicht einmal klar, ob es denn überhaupt einen Mord gab.
Statt frische Spuren zu suchen, heißt es hier daher erst einmal weit in die Vergangenheit zurückzureisen, herauszufinden, wer die Frau aus den Visionen war und ich welcher Verbindung Gwenda zu ihr stand – denn die kann sich über ihre bruchstückhaften Bilder hinaus an nichts erinnern. Erst danach können die Beteiligten mühselig das Leben der Verstorbenen rekonstruieren und auf die Suche nach Verdächtigen gehen, knapp 20 Jahre später. Spannend ist diese retrospektive Mörderjagd, gerade im Mittelteil, ist erwartungsgemäß mit dramatischen Familiengeheimnissen verknüpft, hat jedoch den kleinen Nachteil, dass die potenziellen Täter recht blass bleiben, sind sie doch reine Randfiguren, die erst spät eingefügt werden und so keinen Raum zur Entfaltung haben.
Die größeren Probleme von Ruhe unsanft liegen jedoch woanders: Schon die Grundsituation – eine Frau zieht in ein ihr fremdes Land und sucht sich dafür „zufällig“ ein Haus aus, in dem sie als Kleinkind schon einmal gelebt hat – ist schon sehr konstruiert, in der Filmumsetzung auch ein bisschen überdramatisch inszeniert. Ärgerlich ist auch die Auflösung, die schon sehr aus dem Nichts kommt, einem als Zuschauer somit nicht einmal die Möglichkeit lässt, den Fall selbst zu rekonstruieren. Wer Krimis aufgrund ihres Geheimnisfaktors schätzt, wird sich daran vielleicht weniger stören, ambitionierte Rätselknacker dürfte das Ergebnis jedoch frustrieren. Was bleibt, ist damit ein letztendlich wieder nur solider Fall für Miss Marple, der zwar interessante Ansätze hat, aber inhaltlich nicht bis zum Schluss überzeugt.
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