16 Uhr 50 ab Paddington 1987
© BBC Worldwide Limited 1984/92

16 Uhr 50 ab Paddington (1987)

(„4.50 from Paddington“ directed by Martyn Friend, 1987)

Miss Marple CollectionUnd wenn es am Ende doch nur Einbildung war? Davon zumindest ist die Polizei überzeugt, als die ältere Elspeth McGillicuddy (Mona Bruce) erzählt, in einem vorbeifahrenden Zug einen Mord beobachtet haben zu wollen. Deren Freundin Jane Marple (Joan Hickson) jedoch glaubt ihr und beginnt ihre eigenen Ermittlungen. Und diese führen sie zu dem Landhaus der Familie Crackenthorpe, wo der invalide Luther (Maurice Denham) zusammen mit seiner Tochter Emma (Joanna David) lebt. Da Miss Marple aber nicht selbst vor Ort nach der fehlenden Leiche suchen kann, soll dies ihre Bekannte Lucy (Jill Meager) erledigen, die unter falschem Vorwand dort als Hauswirtschafterin anheuern soll.

Kaum ein Roman mit der listigen Hobbydetektivin Miss Marple dürfte bekannter sein als der 1957 erschienene „16 Uhr 50 ab Paddington“. Das mag zum einen an der unbestrittenen Qualität liegen, sicher aber auch an der bis heute so beliebten Verfilmung mit Margaret Rutherford vier Jahre später. Nun ist es kein großes Geheimnis, dass Agatha Christie wenig angetan war von dessen Ergebnis, zu groß waren die inhaltlichen Abweichungen, zu stark ausgeprägt der im Original nicht vorhandene Humor. Es wäre interessant gewesen, was die Autorin wohl zu der 87er Adaption gesagt hätte, bei der Joan Hickson in die Rolle der Altjungfer schlüpfte, die nicht nur 1961 eine kleine Nebenrolle gespielt hatte, sondern auch die Wunschkandidatin von Christie gewesen sein soll.

Tatsächlich ist Hicksons Interpretation der literarischen Vorlage deutlich näher: Hier ist sie eine ältere, mitunter wirres Zeug redende alte Dame, die zwar ihren Senf zu den Ermittlungen hinzugibt, die eigentliche Laufarbeit aber gerne anderen hinterlässt. Damit ähnelt 16 Uhr 50 ab Paddington den zuvor in der Reihe erschienenen Ruhe unsanft und Das Geheimnis der Goldmine, wo ebenfalls Marple streng genommen nur eine Randfigur ist. Das ist durchaus schade, weil ihre „Vertretung“ Lucy zwar durchaus kompetent, ansonsten aber recht langweilig ist, keine echten Eigenheiten zu haben scheint. Die findet man dafür bei den anderen Charakteren, ob es nun eine exzentrische Ballettlehrerin ist oder die verkorksten Familienmitglieder. Dadurch, aber auch durch die kleinen Streitigkeiten zwischen Miss Marple und dem ermittelnden Detective Inspector Slack (David Horovitch) wird die Mörderjagd durch komische Elemente aufgelockert.

Bemerkenswert ist, wie frei die ansonsten so auf Originaltreue bedachten Macher der BBC-Filmreihe mit dem Material umgingen. Zwar wurde im Gegensatz zur Rutherford-Version daran festgehalten, dass Miss Marple hier nicht als Zeugin und Ermittlerin vor Ort auftritt, dafür wurde an anderen Stellen umgeschrieben. Gestrichen wurde ein Hinweis, eine Nebenfigur inklusive dazugehörigem Plottwist, ein kompletter Mord wird ausgelassen, ein anderer hält sich nicht an die Todesart des Buches, sondern interessanterweise an die 1961er Adaption, die ebenfalls an dieser Stelle etwas Eigenwillen demonstrierte. Puristen werden sich an den Änderungen eventuell stören, wirklich geschadet haben sie der Geschichte aber nicht, einiges darf man auch durchaus als Verbesserung werten.

So oder so werden Krimifreunde der klassischen Schule bald 30 Jahre später noch immer ihre Freude an 16 Uhr 50 ab Paddington haben. Im direkten Vergleich bietet zwar die erste Verfilmung mehr Unterhaltung, ist witziger und spannender zugleich, aber der etwas verschrobene Fall lädt auch hier zum Grübeln und Rätselraten ein. Und dieses Mal gibt es immerhin eine reelle Chance, die Identität des Mörders zu erraten, da zum einen der Tatvorgang nicht ganz so konstruiert ist wie bei manch anderem Christie-Krimi, und der entsprechende Hinweis auf den Täter zudem vergleichsweise früh gegeben wird. Abgerundet wird das Vergnügen durch die gute Ausstattung und Besetzung, für welche die Marple-Reihe allgemein bekannt ist.



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Die 80er-Jahre-Version des Miss-Marple-Krimis hält sich enger an die Vorlage als die beliebte Adaption von 1961, nimmt sich jedoch ebenso diverse Freiheiten heraus. Im direkten Vergleich war die erste Verfilmung unterhaltsamer, aber auch bei der gut ausgestatteten Fernsehfassung bereitet die Suche nach dem Mörder viel (Rätsel-)Spaß.
7
von 10