(„At Bertram’s Hotel“ directed by Mary McMurray, 1987)
Schon einmal war sie in dem berühmten Londoner Hotel Bertram abgestiegen, als kleines Kind. Nun, als alte Frau, kehrt Jane Marple (Joan Hickson) auf Einladung ihrer Nichte dorthin zurück, um sich einige Tage zu entspannen. Äußerlich hat sich wenig geändert, noch immer verströmt die Einrichtung das Flair einer vergangenen Zeit. Und doch fühlt die scharfsinnige Greisin, dass hier etwas nicht stimmt, sich etwas Böses zusammenbraut. Und alles scheint mit der extravaganten, abenteuerlustigen Bess Sedgwick (Caroline Blakiston) zusammenzuhängen, die hier ihr Quartier aufgeschlagen hat und ständig andere Leute vor den Kopf stößt – darunter auch ihre eigene Tochter Elvira (Helena Michell), welche sie schon als Kind in die Obhut anderer gegeben hat.
In den ersten Minuten wirkt das auf dem 1965 erschienenen, gleichnamigen Roman basierende Bertrams Hotel wie ein recht beliebiger Krimi von Agatha Christie: Es gibt eine hervorstechende, sehr unsympathische Figur, die sich über alles und jeden hinwegsetzt. Das schreit doch nach einem Mord! Siehe Das Böse unter der Sonne, siehe Das Geheimnis der Goldmine, siehe Mord im Pfarrhaus. Aber nicht nur, dass sich die ordinäre Bess Sedgwick bester Gesundheit erfreut, anders als erwartet (oder erhofft) niemand zu Dolch, Revolver oder Strick greift, um sie aus dem Leben zu befördern. Es gibt überhaupt keinen Mord. Stattdessen gibt es hier viele ominöse Unheilsahnungen und viel zwischenmenschliches Drama.
Das ist erst einmal wenig spannend, denn auch wenn Miss Marple mehrfach davon spricht, dass da etwas Böses lauert, als Zuschauer fühlt man davon nicht allzu viel. Wir sehen ein betuliches, etwas steifes Hotel und viele Hotelgäste, die von einstigem Ruhm oder einstigem Reichtum leben. Gleichzeitig gelingt es Bertrams Hotel aber dennoch überraschend gut, die eigene Ereignislosigkeit mit Hilfe von schönen Dekors und gewohnt guten Schauspielern zu übertünchen. Allen voran Hickson als vermeintlich geistig etwas verwirrte Miss Marple ist im mittlerweile achten Teil der Reihe in ihrem Element, darf hemmungslos mit anderen Hotelgästen plaudern und ungeniert die Gespräche anderer belauschen. Für die grundsätzlich mit wenig Action gesegneten Geschichten der neugierigen Hobbydetektivin ist ein altes Hotel natürlich ein idealer Schauplatz, um leicht skurrile Figuren zu versammeln und allein aus der Beobachterrolle heraus den Fall zu lösen.
Leider macht es einem die Verfilmung von 1987 in der Hinsicht jedoch unnötig schwer, indem sie Hinweise aus dem Buch entweder verschleiert oder komplett verschweigt. Wenn die Geschichte später doch noch etwas an Fahrt aufnimmt und es einen tatsächlichen Fall zu lösen gibt, stehen die Chancen denkbar schlecht, ohne die fehlenden Puzzleteile alles wirklich zuordnen zu können. Aber selbst wenn man diese Versäumnisse außen vorlässt, ist Bertrams Hotel einer der schwächsten Krimis mit Miss Marple, da hier mehrere Handlungsfäden miteinander versponnen werden wollen, ohne dass daraus ein stimmiges Ganzes entsteht, glaubwürdig ist das Erzählte wie so oft ohnehin nicht. Zusammen mit der aus heutigen Sicht recht kuriosen Actionszene zum Schluss entsteht so der Eindruck eines Films, der zwar nicht ohne Charme ist, letzten Endes knapp 30 Jahre später aber nur für Retrofans wirklich von Interesse sein dürfte.
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