(„El Hijo de la Novia“ directed by Juan José Campanella, 2001)
Seine Ehe ist gescheitert, die Tochter sieht er kaum, das Verhältnis zu seiner Mutter Norma (Norma Aleandro) ist seit Jahren zerrüttet. Dafür hat der 42jährige Rafael (Ricardo Darín) beruflich Erfolg, sein von den Eltern übernommenes Restaurant läuft prima. Als der ständige Stress bei der Arbeit ihm jedoch einen Herzinfarkt auslöst, beschließt er kürzer zu treten. Wenn es nach ihm ginge, würde er den Laden ja verkaufen und in Mexiko Rinder züchten. Rafaels Vater Nino (Héctor Alterio) unterstützt ihn überraschend bei dem Vorhaben, erhofft sich aber auch Hilfe bei seinem eigenen Traum – er will nach über 40 Jahren doch noch Norma im großen Stil kirchlich heiraten, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Die Sache hat nur einen Haken: Die zukünftige Braut ist an Alzheimer erkrankt, weshalb die Pläne bei Rafael auf wenig Gegenliebe stoßen.
Was habe ich in meinem Leben eigentlich erreicht? Habe ich meine Träume erfüllt? Bin ich der, der ich sein soll? Sein will? Jeder dürfte irgendwann einmal an dem Punkt ankommen, an dem er zurückblickt und den bisherigen Weg auf den Prüfstand stellt. Oft geschieht dies ohne größeres Zutun, manchmal aber auch durch einen äußeren Faktor wie hier eben der Herzinfarkt. Das ist kein wirklich ungewöhnlicher Aufhänger für eine Tragikomödie, aber darum ging es Juan José Campanella ja auch gar nicht. Vielmehr ist Der Sohn der Braut für den argentinischen Regisseur und Ko-Autor der Anlass, ganz generelle Überlegungen anzustellen, über das Leben, den Tod und natürlich die Familie. Überlegungen, mit denen sich jeder identifizieren kann.
Aus dem Grund macht der Anwärter für den Oscar als bester fremdsprachiger Film 2002 nicht bei Rafaels Geschichte Halt, sondern erzählt in den zwei Stunden viel über die Menschen aus seinem Umfeld: seine Eltern, seine Ex-Frau, seine Freundin. Auch sein Jugendfreund Juan Carlos (Eduardo Blanco), den er nach langer Zeit wiedersieht, darf eine größere Rolle spielen. Im Gegensatz zu Rafael ist der komplett gescheitert, beruflich als Schauspieler, privat ebenso. Nur dass er sich davon nicht unterkriegen lässt, sondern nach wie vor nach seinem Glück sucht und an dieses glaubt. Doch was bedeutet Glück eigentlich? Wann weiß ich, dass ich es habe? Auch diese Fragen werden hier gestreift, auf einer Suche sind sie hier irgendwo alle.
Manchmal fehlt es da an einem wirklichen Fokus, der Film irrt ebenso wie seine leicht verkorksten Charaktere etwas ziellos umher. Zudem müssen sich Zuschauer darauf einstellen, dass Der Sohn der Braut ein eher leiser Film ist, amüsant ja, aber kein Fall für Schenkelklopfermomente, ebenso wenig für überlebensgroßes Drama – was angesichts des Themas Alzheimer durchaus zu befürchten war. Zum Schluss darf es dann aber doch etwas rührender werden, wenn der im Herzen immer noch als Kind herumrennende Rafael endlich wieder eine Perspektive vor Augen hat und die Hochzeit immer näher rückt. Ein bisschen kitschig wird es da vielleicht auch. Insgesamt ist die argentinisch-spanische Koproduktion aber eine sympathische und entspannte Tragikomödie mit Elementen und Figuren, die einem irgendwie bekannt vorkommen, dies aber auf eine so menschliche und warmherzige Art und Weise, dass man das Gefühl hat, mit alten Freunden umherzuziehen und ein bisschen über das Leben zu philosophieren.
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