(„Ein Fremder kam ins Haus“ directed by Wilm ten Haaf, 1957)
Ihr Leben lang hat Cecily Harrington (Elfriede Kuzmany) von Abenteuern geträumt, von einem aufregenden Leben und großen Reisen. Mit dem Alltag als Sekretärin hatte dies jedoch nur wenig zu tun, dort war alles wohl geordnet, nett, langweilig. Erst der Lotteriegewinn von 10.000 Pfund ermöglicht ihr endlich die Perspektive, ihr routiniertes Leben hinter sich zu lassen. Als sie bei der Suche nach einem Mieter für ihre Wohnung dem Weltenbummler Bruce Lovell (Fritz Tillmann) begegnet, scheint das Glück komplett: Sie löst ihre Verlobung auf, heiratet stattdessen ihren neuen Seelenverwandten und zieht mit ihm in ein abgelegenes Landhaus – wo sich die Anzeichen mehren, dass mit Bruce etwas nicht stimmt.
Lange Zeit galt Ein Fremder kam ins Haus als verschollen, so obskur war die Adaption einer Kurzgeschichte von Agatha Christie mittlerweile, dass sie nicht einmal auf der Wikipedia-Seite für Verfilmungen der britischen Krimikönigin aufgeführt wird. Wer den nun erstmals auf DVD erscheinenden TV-Film sieht, könnte dessen Inhalt jedoch bereits von anderer Seite her kennen. Wie schon das britische Love From A Stranger von 1937 und die amerikanische gleichnamige Fassung von 1947, so basiert auch die deutsche Produktion aus dem Jahr 1957 auf „Haus Nachtigall“ bzw. deren Theaterversion. Wer eine der anderen Versionen schon gesehen hat, wird daher bereits wissen, was denn nun bei Bruce im Verborgenen liegt.
Im Vergleich zur britischen Verfilmung hat die deutsche Vor- aber auch Nachteile. Letzteres hängt vor allem mit der Besetzung zusammen: Ann Harding und Basil Rathbone, das sind dann doch etwas bekanntere Darsteller, die sich gerade zum Ende hin auch die Seele aus dem Leib spielen. Das war zwar teilweise schon ein bisschen sehr overacting, dafür aber auch unterhaltsam, manchmal auch packend intensiv. Da können Kuzmany und Tillmann nicht mithalten, die ihre Sache ordentlich erledigen, deutlich geerdeter und authentischer sind, aber eben auch etwas bieder und ohne große Leidenschaft – typische TV-Kost eben.
Der große Pluspunkt ist jedoch, dass auch die Geschichte hier nachvollziehbarer ist. Krankte Love From A Stranger daran, dass vieles entsetzlich konstruiert war – vom Lottogewinn, der in Paris eingesammelt werden musste, über die Begegnung auf dem Schiff bis zur Auflösung – sind die Elemente in Ein Fremder kam ins Haus sehr viel natürlicher miteinander verwoben. Nicht nur dass die Hinweise auf Bruce’ Geheimnis viel früher eingebaut werden und das Ende so weniger überstürzt ist, trotz einer kürzeren Einleitung ist Cecily als Mensch psychologisch besser porträtiert. Man nimmt ihr die Sehnsucht nach Abenteuer und einem großen Leben besser ab als bei den britischen Kollegen.
Eine grundsätzliche Schwäche der Geschichte bleibt aber: Sie war nicht für einen längeren Film ausgelegt, war später dann für eine Bühnenerfahrung konzipiert. Und das ist noch immer zu spüren. Es gibt nahezu keine Schauplatzwechsel, kaum Handlung im eigentlichen Sinn, alles wird hier über Dialoge transportiert. Sehr viel Abwechslung gibt es auf diese Weise natürlich nicht, Ein Fremder kam ins Haus braucht relativ lange, bis er einmal zum Krimiteil kommt. Wer Christie-Filme der Leichen wegen oder auch für unterhaltsame Ermittlungen schaut, geht hier völlig leer aus. Auch Humor ist hier, anders als bei Love From A Stranger, kein Thema. Ansonsten bietet der Film aber solide Fernsehkost, die nicht nur für Sammler interessant ist – schließlich will man wissen, wer oder was Bruce nun genau ist und welches Ende das dann nimmt.
(Anzeige)