Eine große Wahl blieb den Tabakfarmern nicht, als eine Horde Söldner auftaucht: Entweder sie verkaufen den Eindringlingen ihren Besitz, oder sie müssen mit ihrem Leben bezahlen. Am Ende fordern die Männer jedoch beides, reißen das Land an sich, töten den Vater und entführen Tochter Vania (Alice Braga). Der zufällig anwesende Schamane Kai (Gael Garcia Bernal) will dem jedoch nicht tatenlos zusehen und nimmt deshalb bald die Verfolgung durch den Amazonasdschungel auf. Seine Gegner mögen zahlreicher sein, stärker und besser bewaffnet, dafür weiß Kai die Natur auf seiner Seite.
Der Krieger aus dem Regenwald? Das klingt nach No-Name-B-/C-Trash-Movie, einer jener blei- und testosterongefütterten Obskuritäten, wie man sie ausschließlich auf dem Krabbeltisch oder versteckten Regalen in der Videothek findet. Dass das hier nicht der Fall ist, zeigt jedoch die Beteiligung von Gael García Bernal, einem der zweifelsfrei bekanntesten Schauspieler Lateinamerikas. Aber auch der Film ist ein wenig anders, als man es angesichts des Titels und auch des Filmeinstiegs vielleicht erwarten würde.
Waffen gibt es hier natürlich, denn damit fängt das Unglück der Protagonisten an: Es dauert nur ein paar Minuten, bis die Farmerfamilie niedergeschossen, die Tochter entführt wird. Und auch dass Kai sich in Folge auf den Rachepfad begibt, entspricht gängigen Actionreißernmustern. Nur dass die Action hier über weite Strecken relativ sparsam ist, Gewalt zwar ständig angekündigt, aber selten ausgeübt wird. Wenn eine Genrezuordnung notwendig ist, dann fällt sie hier zugunsten des Westerns aus: Der aufrechte Einzelgängerheld, die bösen Buben, dazwischen eine schöne Frau – das ist eine gängige Figurenkonstellation.
Viel mehr als eine dramaturgische Rolle haben sie hier dann auch nicht zu spielen, man erfährt nicht wirklich, wer hier durch den Dschungel stapft. Vielleicht muss man das in dem Bereich auch nicht zwangsweise, schön wäre es trotzdem gewesen, ein bisschen mehr Kontur zu verleihen. Die Gegner bleiben völlig austauschbar, oft weiß man nicht einmal so genau, wer hier gerade dem einsamen Rächer zum Opfer fällt. Und auch der Protagonist bleibt, allein schon der äußerst sparsamen Dialoge wegen, ein Fremder. Er taucht irgendwann auf, ist irgendwie der Natur verbunden, sowohl der Heil- wie auch der Kampfkünste mächtig. Die im Vorspann erwähnte Spiritualität und Verbundenheit zu übernatürlichen Wesen hat in der Folge jedoch keinen großen Einfluss, man hätte den Aspekt auch ganz streichen können, ohne beim Film viel ändern zu müssen.
Sehr viel stärker integriert ist dafür der Schauplatz, vor allem in Bezug auf die Atmosphäre: Western spielen traditionell an menschenleeren oft auch menschenfeindlichen Orten, sind geprägt von kargen Landschaften und Trostlosigkeit. Das trifft teilweise auf den Dschungel zu, dann aber auch wieder nicht. Dass Menschen hier nicht als Beherrscher auftreten, sondern als im besten Fall geduldetes Element, eint die ewigen Wälder mit den trockenen Steppen. Nur dass man in El Ardor nie das Gefühl hat, allein zu sein. Um einen herum ist Leben, lauert, beobachtet, ohne selbst sichtbar zu werden. Verkörpert wird die allgegenwärtige Urgewalt durch einen Jaguar, der regelmäßig auftaucht, majestätisch und unberechenbar zugleich, eingreift oder auch nicht.
Diese Aufnahmen der Wildnis, des satten Baumlaubs, der abgründigen Gewässer, sind es dann auch, welche die internationale Koproduktion im wahrsten Sinne des Wortes sehenswert machen. Inhaltlich mag man sich hier zu sehr an gesicherte Pfade gehalten haben, dafür darf man sich in den hypnotisch-fremdartigen Bildern verlieren, dem nächtlichen Gefiepe und Geraschel lauschen und sich in der großen, undurchsichtigen, manchmal auch gefährlichen Welt wieder richtig klein fühlen.
OT: „El Ardor“
Land: Argentinien, Brasilien, Frankreich, Mexiko
Jahr: 2014
Regue: Pablo Fendrik
Drehbuch: Pablo Fendrik
Musik: Sebastián Escofet
Kamera: Julián Apezteguia
Besetzung: Gael García Bernal, Alice Braga
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