(„Frank“ directed by Lenny Abrahamson, 2014)
Nichts wünscht sich Jon (Domhnall Gleeson) sehnlicher, als mit seiner Musik groß rauszukommen. Aber so sehr er sich auch bemüht, irgendwie will das mit den Songs einfach nicht so recht klappen – bis er eines Tages der experimentellen Indie-Band Soronprfbs über den Weg läuft, die dringend einen Keyboarder braucht. Deren Manager Don (Scoot McNairy) lädt ihn dann auch sofort dazu ein, mit ihnen auf die Bühne zu gehen, später auch ein gemeinsames Album aufzunehmen. Während Bandleader Frank (Michael Fassbender), der sein Gesicht unter einem riesigen Pappmaschee-Kopf versteckt, ihn freundlich aufnimmt und ermuntert, ist der Rest der Gruppe dem Neuzugang nicht sehr wohlwollend gestimmt. Vor allem Clara (Maggie Gyllenhaal), deren radikale Vorstellungen sich nicht mit Jons Starträumen vertragen, nutzt jede Gelegenheit, um ihre Anlehnung deutlich zu machen.
Wie viele Kompromisse muss ich eingehen, um mein Publikum zu erreichen? Diese Frage dürften sich die meisten irgendwann einmal stellen, die versuchen, mit Musik ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dieser Wettstreit zwischen künstlerischer Integrität und kommerzieller Notwendigkeit ist dann auch eines der zentralen Themen von Frank, auf den Punkt gebracht in einer wundervollen Szene, als Titelfigur Frank seinen eingängigsten Song vorspielt – eine wilde Aneinanderreihung von Nonsenswörtern, Keyboardgeblubber und Kehlkopfgesang, die von den anderen Bandmitgliedern nur schiefe Blicke erntet.
Frank, der lose auf der legendären Bühnenfigur Frank Sidebottom basiert, steht hier für das entrückte Genie, der so sehr in seiner eigenen Welt lebt, dass er kein Verständnis für die Mechanismen da draußen mitbringt und schon daran scheitert, die Miete für die Hütte zu bezahlen, in der das Album aufgenommen werden soll. Und der Rest von Soronprfbs ist auch nicht viel normaler: Don pflegt etwas eigenwillige Sexvorlieben, Clara rastet bei jeder sich bietenden Gelegenheit aus. Dass ein solches Kuriositätenkabinett viel Raum für komische Reibereien bieten, versteht sich von selbst, über weite Strecken ist Frank dann auch ein skurril-witziger Film über das Musikmachen und die Jagd nach Träumen.
Nur ist Frank eben keine Witzfigur, sondern ein Mensch, der es schafft, selbst ohne eigenes Gesicht die anderen mitzureißen, sie sich besser fühlen zu lassen, die Welt zu einem großen wundervollen Ort zu machen. Auch das hat komisches Potenzial, etwa wenn sich der musikalische Berserker von den unwahrscheinlichsten Situationen und Gegenständen inspirieren lässt, Alltagsgeräusche in seine Lieder integriert und mit fremdartigen Sounds zu etwas ganz Eigenem kombiniert. Gleichzeitig ist es aber auch lebensbejahend und tröstlich, gerade im späteren Verlauf, wenn Frank plötzlich sehr viel traurigere Töne anschlägt. Nicht alle waren über diesen Stimmungswechsel glücklich, fühlten das Genie unnötig degradiert. Und doch gehört es hier eben dazu, Musik ist Ziel, Mittel und Ausdruck zugleich, wie es gerade auch beim Ende deutlich wird, das zu den magischsten, inspirierendsten und bewegendsten des aktuellen Filmjahres gehört.
Uneingeschränkt und einstimmig gelobt wurde hingegen die Leistung von Michael Fassbender, der nur aufgrund von Gestik und Stimme das Bild eines außergewöhnlichen Menschen zeichnet. Bemerkenswert ist zudem, dass er sämtliche Lieder tatsächlich selbst sang, so wie alles während des Films live eingespielt wurde. Und das Ergebnis ist so faszinierend, teilweise so fantastisch, dass man sich wünschen würde, die Soronprfbs wären eine reale Band, die auch über den Soundtrack hinaus zusammen Lieder aufnimmt. Für Anhänger experimenteller Indie-Musik ist Frank deshalb ein Muss, aber auch die Liebhaber skurriler Außenseiterfilme sollten sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die Tragikomödie einmal anzuschauen.
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