(„Murder on the Orient Express“ directed by Stephen Harrigan, 2001)
Es hätte ein netter Urlaub werden sollen, aber wie so oft im Leben des berühmten Detektivs Hercule Poirot (Alfred Molina) endet auch die Fahrt an Bord des berühmten Orient-Express mit einer Leiche: Der amerikanische Millionär Samuel Ratchett (Peter Strauss) ist nachts ermordet worden. Aber weshalb? Und vom wem? Die Anzeichen deuten darauf hin, dass der Mörder ein Fremder war, der sich anschließend aus dem Staub gemacht hat. Doch Poirot, der auf Bitte seines Freundes Bouc (Fritz Wepper) ermittelt, vermutet den Schuldigen unter den Fahrgästen und muss nun unter Zeitdruck die Wahrheit aufdecken, bevor der Zug an seiner Endstation ankommt.
Kein Fall des berühmten belgischen Meisterdetektivs Hercule Poirot dürfte berühmter sein als seine Mördersuche im Orient-Express, woran die hoch gelobte Filmfassung von 1974 nicht ganz unschuldig ist. Im Vergleich dazu mutet die TV-Version aus dem Jahr 2001 deutlich bescheidener an: Hier gibt es keine Weltstars, Ausstattung und Kostüme sind weniger prunkvoll, statt nostalgischem Luxus steht schnöde Regionalbahn auf dem Plan. Da Poirot selbst auch nichts von seiner sonstigen Extravaganz hat, er hier nur ein höflicher, etwas fülliger Mann mit Schnauzer ist, fehlt Mord im Orient-Express viel von dem, was frühere Verfilmungen so reizvoll gemacht hat. Im Vergleich zu Albert Finney, Peter Ustinov oder David Suchet ist Alfred Molina dann letztendlich doch zu bieder und gewöhnlich.
Allgemein müssen sich Fans der Vorlage auf diverse Änderungen gefasst machen. Am einfachsten ist da noch die aus Platzgründen erfolgte Streichung dreier Figuren zu verschmerzen, da sie auf Geschichte und Handlung wenig Einfluss hat. Deutlich gewöhnungsbedürftiger ist da schon, dass man den 1934 erschienenen Roman in die Gegenwart versetzte. Das muss bei klassischen Krimis nicht unbedingt verkehrt sein, wie das brillante Sherlock bewies. Hier aber prallen zwei Welten aufeinander: das Flair einer früheren, versnobten Zeit und eine Ermittlung, in der das Internet eine wichtige Rolle spielt. Da wurde einfach zu wenig getan, um die neumodischen Elemente zu integrieren, wie der Rest des Films auch ist die Kombination lieblos. Und auch ein bisschen kurios inkonsequent, wenn zwischenzeitlich noch einmal eine VHS-Kassette als Beweismittel bemüht wird.
Immerhin ist die Geschichte an sich vergleichsweise glimpflich davongekommen, noch immer wird man von unzähligen Verdächtigen und seltsamen Indizien vor tausend Rätsel gestellt. Zwar wurden einige Hinweise fallengelassen oder etwas unglücklich verändert, was ebenfalls nicht unbedingt der Atmosphäre zugutekommt. Und sehr viel Handlung hat es ohnehin nie gegeben, die Ermittlungen erfolgen hier fast ausschließlich über Dialoge. Dafür gibt es eine fantastische Auflösung, welche die Gesetze des Krimigenres auf den Kopf stellt, ohne dabei völlig unglaubwürdig zu werden. Allein dafür lohnt sich Mord im Orient-Express. Ob es dafür aber unbedingt diese Fassung sein muss, ist zweifelhaft, denn dafür war die erste Verfilmung dann doch zu deutlich überlegen. Oder man greift dann doch gleich zur Romanvorlage von Agatha Christie, die zu den interessantesten im reichen Werk der britischen Autorin zählt.
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