(„Ricki and the Flash“ directed by Jonathan Demme, 2015)
Im Herzen ist Ricki Rendazzo (Meryl Streep) ein Rockstar, die ganze Konzerthallen mit ihrer Musik füllt. In Wahrheit aber heißt sie Linda Brummel, ist Leadsängerin der Coverband The Flash, geschieden, pleite, arbeitet an der Kasse eines Supermarktes. Kontakt zu ihrer Familie hat sie schon seit Jahren kaum, seitdem sie damals auf und davon ist, um ihrem großen Traum hinterherzujagen. Bis eines Tages ihr Ex-Mann Pete Brummel (Kevin Kline) anruft, um ihr zu sagen, dass ihre gemeinsame Tochter Julie (Mamie Gummer) nach einer gescheiterten Ehe in Depressionen verfallen ist. Und so beschließt Ricki, ihr Geld zusammenzukratzen und nach Indianapolis zu fliegen, wo sie die beiden und auch ihre Söhne Josh (Sebastian Stan) und Adam (Nick Westrate) wiedertrifft, deren Wiedersehensfreude etwas gedämpft ist.
Karriere oder Familie? Durch die Auflösung der klassischen Rollenmuster ist das eine Frage, die auch Frauen in den letzten Jahren zunehmend beschäftigte. Immer spätere Geburten, weniger Kinder und eine Übertragung der Erziehungsaufgabe an Einrichtungen haben die traditionelle Familienkonstellation deutlich durcheinander gebracht. Auch Ricki – Wie Familie so ist nimmt sich dieses Themas an, nur dass die Protagonistin eben nicht in einem Büro arbeitet und in einem Unternehmen die Karriereleiter zu erstürmen versucht, sondern ihr Heil auf der Bühne sucht.
Das ist es dann auch der eine Aspekt, der Ricki – Wie Familie so ist von den vielen ähnlich gelagerten Filmen unterscheidet, in denen eine entfremdete Familie wieder zueinander finden muss. Der andere betrifft die Besetzung: Meryl Streep als Rockerbraut in Lederjacke mit extravaganter Frisur und unzähligen Ketten und Ringen? Das hat schon was, gerade im Kontrast zu ihren sonstigen Rollen. Und auch dass ihre Filmtochter von ihrer realen Tochter Mamie Gummer gespielt wird, dürfte in vielen Artikeln für einen Aufhänger gut sein. Doch lässt man all das weg, die Besetzung, das Szenario, bleibt kaum mehr etwas Erwähnenswertes übrig, ein zwingender Grund, sich den Film auch einmal anzusehen. Die Geschichte von Drehbuchautorin Diablo Cody, die seinerzeit mit Juno und Jennifer’s Body Aufmerksamkeit erregte, ist vollgepackt mit Klischees und tausendfach gesehenen Szenen.
Das soll nun nicht bedeuten, dass Ricki – Wie Familie so ist ein schlechter Film ist, denn die Suche nach Annäherung hat sowohl ihre komischen wie auch bewegenden Momente. Erstere betrifft vor allem den Beginn, wenn die Musikträume von Ricki ihrem drögen Alltag entgegengestellt werden, sie auf der Bühne Lady Gaga covern und an der Kasse ein falsches Lächeln aufsetzen muss, um irgendwie über die Runden zu kommen. Später verliert sich der Humor jedoch wieder, taucht erst ganz zum Schluss in einigen witzigen, satirisch angehauchten Ideen wieder auf. Zwischendurch gewinnt der Dramateil an Intensität, wenn die Familie nach Jahren das erste Mal wieder aufeinandertrifft. Ansonsten aber herrscht Idylle, die Konflikte werden nicht bearbeitet, sondern lösen sich zur Freude aller Beteiligter relativ schnell und damit nur wenig glaubwürdig in Wohlgefallen auf. Die Grundsatzfrage, wie Selbstverwirklichungsträume und Familie aufzurechnen sind, wird also nicht wirklich weiter verfolgt, die Schmerzen der Entfremdung bagatellisiert. Ricki – Wie Familie so ist ist ein typischer Wohlfühlfilm: nett, streckenweise unterhaltsam, belanglos.
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