„Taxi“ directed by Kerstin Ahlrichs, 2014)
Sich festlegen? Sesshaft werden? Eine Familie gründen? Für die Hamburgerin Alex (Rosalie Thomass) ist das ein Alptraum, dafür liebt sie viel zu sehr ihre Freiheit. Selbst ihre Ausbildung zur Versicherungskauffrau ist der 25-Jährigen zu viel. Und so bricht sie diese kurzerhand ab und heuert stattdessen bei einem Taxiunternehmen an. Da gibt es nicht nur Geld, sie muss sich auch auf niemanden einlassen, schließlich steigen alle Gäste recht bald wieder aus. Womit sie jedoch nicht gerechnet hat, ist dass sie Gefühle für ihren Kollegen Dietrich (Stipe Erceg) entwickelt, sie sich plötzlich doch noch in einer Beziehung wiederfindet. Und dann wäre da noch Marc (Peter Dinklage), der eigentlich nur ein Fahrgast sein sollte, jedoch bald sehr viel mehr wird.
An kaum einem Ort kommen wohl in so kurzer Zeit so viele unterschiedliche Menschen zusammen wie in einem Taxi – Menschen verschiedener Herkunft, Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten, Menschen mit verschiedenen Persönlichkeiten und Zielen. Ein idealer Schauplatz also, um ein Füllhorn von Geschichten auszuschütten, von tragischen Schicksalen und komischen Situationen zu erzählen. Filmemacher haben dieses Potenzial auch schon mehrfach genutzt, von Jim Jarmusch’ internationalem Episodenfilm Night on Earth bis zu Taxi Teheran kürzlich, wo Jafar Panahi aus der Perspektive eines Taxifahrers einen Einblick in den Iran gab.
Karen Duve, auf deren gleichnamigen Roman Taxi beruht und die hier auch das Drehbuch geschrieben hat, hatte daran jedoch weniger Interesse. Deutlich autobiografisch gefärbt – sie selbst brach eine Ausbildung ab und verdiente ihr Geld als Taxifahrerin in Hamburg – ist Alex nicht der Spiegel von den Geschehnissen um sie herum, sie steht selbst im Brennpunkt. Ihre Unfähigkeit, sich zu binden, ihre Aufmüpfigkeit, aber auch ihre Sorglosigkeit, all das wird von mehreren Seiten aus beleuchtet.
Während sie sich so langsam zu einem faszinierenden Mosaik zusammensetzt, wunderbar rotzig von Rosalie Thomass gespielt, verblasst alles um sie herum. Schon die beiden Männer in ihrem Leben – Dietrich und Marc – sind nicht viel mehr als Stichwortgeber für ihre inneren Monologe, drum herum wird es dann ganz duster. Weitere Kollegen wie Rüdiger (Robert Stadlober) bleiben skizzenhaft, Fahrgäste wie der von Armin Rohde gespielte Betrunkene sind nicht einmal das. Porträtcharakter schön und gut, da wurden aber viele Chancen verschenkt, Taxi auch mit Leben zu füllen, der Film ist eine impressionistische Fahrt durchs nächtliche Hamburg, die schöne, unterkühlte Bilder liefert, von der aber nicht viel zurückbleibt.
Dafür dürfen sich Kinder der 80er auf einen größeren Nostalgiefaktor freuen, denn die Tragikomödie nimmt uns mit in eine Zeit, in der ein Commodore 64 noch eine große Zukunft vor sich hatte, die Telefone grob, klobig und kunterbunt waren, die Leute in seltsamen Klamotten herumliefen, man seine Freiheit und Selbstverwirklichung noch irgendwo da draußen suchte. Ein bisschen Wehmut schwingt in Taxi dann auch immer mit, eine Melancholie, die Sehnsucht nach etwas, von dem man gar nicht so genau sagen kann, was es eigentlich ist. Für das große Kino ist das vielleicht eine Spur zu klein, es gibt weder Schenkelklopfer noch Taschentuchmomente, mit denen Filme gern um die Massen buhlen, sondern nur eine Frau, ein Auto und die ewig gleiche Frage: Was will ich eigentlich von meinem Leben?
(Anzeige)