(„White Bird in a Blizzard“ directed by Gregg Araki, 2014)
Der Haussegen hing bei den Conners schon länger schief, was vor allem an Mutter Eve (Eva Green) liegt. Wo sie nur kann, provoziert sie ihren Ehemann Brock (Christopher Meloni), lässt an ihm ihre Wut daran aus, in einem Leben in der Vorstadt gefangen zu sein. Aber auch mit ihrer 17-jährigen Tochter Kat (Shailene Woodley) gerät sie immer wieder aneinander, die gerade ihre ersten sexuellen Erfahrungen mit Nachbarsjunge Phil (Shiloh Fernandez) sammelt. Bis Eve eines Tages verschwindet, keiner weiß wohin, keiner weiß wieso. Für Kat ist die Abwesenheit ihrer neurotischen Mutter Fluch und Segen zugleich, kann nun ihr eigenes Leben führen, wird zeitgleich jedoch in seltsamen Träumen immer noch von ihr heimgesucht.
Wenn beim Fantasy Filmfest ein Coming-of-Age-Drama läuft, kann man sich sicher sein, dass dabei mehr geboten wird als das übliche Junge-trifft-Mädchen-und-muss-damit-klarkommen. Animals zum Beispiel führte einen unheimlichen, sprechenden Teddybären ein, Love Eternal drehte sich um Nekrophilie, bei Metalhead ist die Protagonistin ein Heavy-Metal-Freak mit entsprechender Maskerade. Und auch bei Wie ein weißer Vogel im Schneesturm, das auf dem Roman „White Bird in a Blizzard“ von Laura Kasischke basiert und ein knappes Jahr nach den Festivalvorführungen seinen Weg hierher findet, geht es alles andere als normal zu.
Die erste Besonderheit sind die wunderbar poetischen Traumszenen, die Buch und Film auch ihren Titel gegeben haben: Kat läuft hierbei, begleitet von einer melancholischen Musik, durch Schneelandschaften, immer auf der Suche nach ihrer Mutter. Während dieser Szenen werden zwar vielleicht nicht Mindfuck-Höhen von auf Träumen spezialisierten Filmen wie Paprika oder das davon inspirierte Inception erreicht, surreale Elemente finden sich aber dennoch darin.
Die zweite Besonderheit betrifft den Krimihandlungsstrang um die verschwundene Eve. Was genau ist an diesem Tag passiert? Wohin ist sie gegangen? Hatte sie einen Liebhaber? Tendenziell interessiert sich Wie ein weißer Vogel im Schneesturm zwar mehr für die Lebenden und ihre Versuche eines Neuanfangs, doch gerade auch durch Kats Sehnsucht nach einem Abschluss werden immer wieder Spuren verfolgt, neue Theorien aufgestellt. Die Erzählweise ist dabei alles andere als chronologisch, wild wird mittels Flashbacks oder auch in Therapiesitzungen aufgearbeiteten Schlüsselmomenten zwischen den Zeiten hin und her gesprungen, bis man gar nicht mehr weiß, was denn nun die aktuelle ist. Wirklich schwierig ist es aber nicht, der Geschichte zu folgen, dafür ist sie bei allem kunstvollen Konstrukt dann doch recht simpel.
So hoch die Neugierde auch ist, was es denn nun mit dem Verschwinden auf sich hat, es sind die Figuren und ihre Verhältnisse untereinander, die am meisten fesseln. Glücklicherweise konnte sich der auf etwas abwegige Filme spezialisierte Regisseur und Drehbuchautor Gregg Araki hier auf seine Darsteller verlassen, vor allem die beiden Frauen im Team lassen einen die manchmal etwas seltsamen Dialoge schnell vergessen. Shailene Woodley (Das Schicksal ist ein mieser Verräter, The Spectacular Now) hat sich in den letzten Jahren als eine der vielversprechendsten Nachwuchsschauspielerinnen etabliert, darf hier eine Jugendliche zwischen sexuellem Erwachen und verlorener Spurensuche spielen. Doch der interessanteste Charakter ist die von Green fabelhaft gespielte Eve, die von zerplatzten Träumen und Monotonie gejagt um sich tritt und spuckt, die man verabscheut und gleichzeitig bemitleidet. Und die einen daran erinnert, dass die im Teenageralter so oft thematisierte Selbstfindung teilweise direkt in die Hölle führen kann. Bonuspunkte gibt es für Kinder der 80er in Form eines wunderbaren Soundtracks, bei dem einstige Alternative-Helden wie The Cure, Siouxsie & the Banshees, Cocteau Twins, Depeche Mode oder Jesus & Mary Chain zu hören sind.
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