(„Agatha Christie’s Poirot – Season 3“ directed by Brian Farnham, Andrew Grieve, Andrew Piddington and Renny Rye, 1991)
Als Mitte der 80er der Beschluss gefasst wurde, Agatha Christies Romanfigur Hercule Poirot eine eigene Fernsehserie zu spendieren, war eine der dringendsten Fragen, wie man diesem so ungewöhnlichen Detektiv gerecht werden kann. Aber auch: Welche der Geschichten sollen überhaupt verfilmt werden? Schließlich standen 33 Romane und über 50 Kurzgeschichten zur Auswahl, welche Christie im Laufe ihres langen Lebens geschrieben hat und die völlig unabhängig voneinander funktionieren – eine „sinnvolle“ Reihenfolge gab es also nicht. Das nutzte man auch fleißig aus: Innerhalb der zwölf Staffeln wurde munter zusammengeklaubt, was es von Poirot eben so gab, egal ob die einzelnen Episoden aus demselben Zeitraum stammten oder nicht. Und das galt dann auch für die deutsche Veröffentlichung – selbst wenn es Collection 1 impliziert, handelt es sich hier nicht um den Serienbeginn, sondern um Staffel 3, die mit dem hierzulande separat veröffentlichen Langfilm Eine Familie steht unter Verdacht begonnen worden war.
Für das Verständnis der Fälle spielt dieses Wirrwarr keine große Rolle, allerdings gibt es in Collection 1 keine Einführung der Haupt-Charaktere, deren Kenntnis wird einfach vorausgesetzt. Diese sind übrigens eines der beiden Konstanten, die eingeführt wurden, um die vielen Geschichten zusammenzuhalten: Poirots enthusiastischer Sidekick Captain Hastings (Hugh Fraser), der unermüdliche Chief Inspector Japp (Philip Jackson) und Poirots gewissenhafte Sekretärin (Pauline Moran) sind bei den meisten Folgen dabei, selbst wenn sie in den jeweiligen literarischen Vorlagen nicht auftauchten. Der zweite Kniff war, die größtenteils zeitlich unbestimmten Geschichten einheitlich 1936 spielen zu lassen. Ein Fehler waren beide Entscheidungen nicht, das Figurenkabinett sorgt immer mit seinem Zwischenspiel immer wieder für humoristische Tupfer, durch die Vereinheitlichung wirken die zehn Episoden wie aus einem Guss.
Auch sonst wurde im Vergleich zum Original einiges geändert – aus gutem Grund. So unterhaltsam und packend Kurzgeschichten von Christie zuweilen auch sein mögen, auf 50 Minuten ausgebreitet ist das Ergebnis oft etwas dünn, wie die einige Jahre zuvor produzierte Serie Detektei Blunt bewies. Also fügte man hier Figuren hinzu, änderte Schauplätze und ließ Poirot manchmal auch etwas mehr in die Fälle eingreifen, als er es in Buchform tat. Puristen werden sich daran eventuell stören, allerdings tat man eine Menge dafür, sich mit den neuen Elementen möglichst nah am Ton und Inhalt der Vorlagen zu orientieren. Und das ist den Drehbuchautoren auch gut gelungen, anders als etwa bei Marple fühlen sich die Geschichten trotz allem nach Agatha Christie an.
Aber trotz der guten Arbeit des Teams können sie einige Schwächen der Fälle nicht ausbügeln: Alle Episoden stammen aus dem Frühwerk Christies, die meisten aus den 20ern. Und man merkt schon, dass hier vieles noch recht simpel ist, von den verstrickten Geschichten ihrer späteren Bücher ist die Autorin noch weit entfernt. Die eine oder andere clevere Idee gibt es, vieles ist aber auch recht billig, braucht ungelenke Taschenspieletricks, um ans Ziel zu kommen. Vor allem der auch später immer mal wieder aufgegriffene Kniff, dass die Täter in Verkleidung die anderen täuschen, geht hier völlig daneben, da man diese Maskeraden gleich als solche erkennt – was in Buchform noch funktioniert haben mag, wird so zur Farce. Hinzu kommt, dass manche Einfälle gleich mehrfach verwendet werden, was nicht unbedingt der Abwechslung zugute kommt.
Doch auch wenn Collection 1 nicht unbedingt das stärkste Material des Poirot-Gesamtwerks enthält, bietet es doch einen stimmigen Einstieg in die Arbeit des belgischen Meisterdetektivs, mit dem man sich gut einige dunkle Abende füllen kann. Das liegt auch an der schönen Ausstattung, die tatsächlich auf Gegenstände und Kostüme aus den 30ern zurückgriff, vor allem aber an der vielgerühmten Darstellung von David Suchet, der mit seiner exaltierten Spielweise die kleinen Eigenheiten seiner Figur schön betont und so auch die weniger rühmlichen Fälle recht unterhaltsam werden lässt.
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