Das letzte Weekend

Das letzte Weekend

(„Desyat negrityat“ directed by Stanislav Govorukhin, 1987)

Das letzte Weekend
„Das letzte Weekend“ erscheint am 8. September auf DVD

Ein Wochenende auf einer abgelegenen Insel verbringen zu dürfen, das klang für die meisten wie ein Traum. Und traumhaft ist das Anwesen ja auch, die Gäste erlesen. Nur dass der Gastgeber nicht da ist, das ist schon ein wenig seltsam. Das Gefühl der Befremdung weicht schon am ersten Abend dem des Entsetzens, als eine Stimme auf einer Schallplatte die Gäste und die beiden Hausangestellten beschuldigt, den Tod von Menschen verursacht zu haben, ohne je dafür bestraft worden zu sein. Der Anklage folgen lauter Dementi, bald auch eine Leiche, als einer der Gäste plötzlich stirbt. Als in derselben Nacht noch ein weiterer Mensch ums Leben kommt, ahnen die verbliebenen acht Böses: Was wenn ihr unbekannter Gastgeber vorhat, sie nun alle für ihre ungesühnten Verbrechen zu töten?

Die Amerikaner haben sich daran versucht (Zehn kleine Negerlein), die Engländer sowieso (Da waren’s nur noch neun), aber auch die Deutschen (Und dann gabs keines mehr) und sogar die Inder (Gumnaam) – seit dem Erscheinen von Agatha Christies Roman „Und dann gabs keines mehr“ im Jahr 1939 folgten unzählige Film- und Fernsehadaptionen. Und doch mussten die Fans des Krimiklassikers fast 50 Jahre warten, bis mit der russischen Variante Das letzte Weekend eine Verfilmung anstand, die das tatsächliche Ende des Buches übernahm und nicht jenes des Theaterstücks, welches deutlich erbaulicher war.

Entsprechend düster ist Das letzte Weekend auch, hält für den Zuschauer nur wenig Lichtblicke bereit. Auch die humorvollen Elemente, welche die Version von 1945 so unterhaltsam werden ließ, sind hier weit und breit nicht zu sehen. Das mögen manche bedauern, andere werden sich darüber freuen, dass sich hier eben doch einmal jemand an eine originalgetreue Umsetzung gewagt hat. Der Spannung hat es auf jeden Fall nicht geschadet, wer die Geschichte noch nicht kennt, wird bis zum Schluss mitzittern und mitraten, wer dem mörderischen Katz-und-Maus-Spiel entkommt, wer denn nun der Täter ist. Oder doch die Täterin? Was Roman wie Film auszeichnet ist, dass jeder der Anwesenden in Frage kommt, man sich zu keiner Zeit und an keinem Ort mehr sicher fühlt. Sich nicht mehr sicher fühlen kann. Jede Szene im Haus könnte gleichzeitig auch die letzte sein.

Ein bisschen ermogelt wurde das aber schon, da Christie seinerzeit auf echte Hinweise in ihrem Buch verzichtete, wer hinter allem steckt. Wenn jemand bis zum Ende im Dunkeln tappt – und das dürfte wohl auf die meisten zutreffen – dann nicht zwangsweise aufgrund eines Mangels an grauen Zellen, sondern weil es hier kein Material gibt, aus dem man seine Schlüsse ziehen kann. Dieser Betrug am Leser kann frustrieren, sofern man den Anspruch erhebt, selbst auf die Lösung von Rätseln zu kommen. Besser fährt man daher ohne diesen: Bei Das letzte Weekend heißt es, sich zurückzulehnen, die mysteriöse und bedrohliche Stimmung aufzusaugen und auf das Ende zu warten. Und auch nicht allzu viel nachzudenken, denn vieles hier ergibt bei genauerer Betrachtung keinen Sinn.

Zumindest hinsichtlich der Atmosphäre übertrifft Das letzte Weekend selbst die berühmten Zehn kleine Negerlein, wenngleich man in punkto Ausstattung und Darsteller nicht mit den Amerikanern mithalten konnte. Hier gibt es deutlich weniger Zimmer und Orte zu begutachten, von den Schauspielern bleibt keiner richtig in Erinnerung. Und das obwohl sich die Russen richtig viel Zeit ließen, der Film eine halbe Stunde länger dauert. Genutzt wird diese vor allem für Flashbacks, mit deren Hilfe die vergangenen Verbrechen der zehn weiter beleuchtet werden. Für die eigentliche Handlung ist das dann zwar ohne Belang, verstärkt aber das Gefühl, es hier mit echten Menschen zu tun zu haben, mit einer tatsächlichen Vergangenheit, die sie nun nach und nach ihr Leben kostet.



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„Das letzte Weekend“ ist die einzige originalgetreue Adaption des Klassikers „Und dann gabs keines mehr“ und ist allein deshalb schon für jeden Krimifan eine Sichtung wert. Im Vergleich zur 1945er Verfilmung sind Ausstattung und Schauspieler zwar schwächer, auch auf Humor muss man verzichten. Im Gegenzug überzeugt die düstere Atmosphäre und der Spannungsgrad.
7
von 10