Das Mädchen, das durch die Zeit sprang
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(„Toki o Kakeru Shōjo“ directed by Mamoru Hosoda, 2006)

Das Maedchen das durch die Zeit sprangDie 70. Runde dreht unser fortlaufendes Animationsspecial bereits. Und dafür haben wir uns einen der am meist geschätzten Animeregisseure der letzten Jahre ausgesucht. Denn der kennt sich aus mit Endlosschlaufen, wie er hier eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Die 17-jährige Makoto ist eine Schülerin wie jede andere, vielleicht ein bisschen nachlässig, was das Lernen angeht, vor allem aber chronisch zu spät. Bis sie eines Tages von einer heranrasenden Bahn getötet wird. Oder besser: hätte eigentlich getötet werden müssen. Statt auf dem Friedhof findet sie sich jedoch plötzlich zu Hause wieder, Stunden vor dem schrecklichen Unfall. Zuerst reichlich verwirrt, findet die Jugendliche bald Gefallen an dem Zeitreisen, kann sie so doch jedes Missgeschick verhindern, indem sie an der Uhr dreht und sich anders verhält. Aber je mehr sie am Schicksal herumdoktert, umso komplizierter wird alles – schließlich hat jeder Eingriff Folgen für ihr Umfeld.

Fans des japanischen Science-Fiction-Autors Yasutaka Tsutsui durften sich 2006 gleich über zwei gelungene Animeadaptionen seiner Werke freuen. Im Herbst startete der psychedelische Trip Paprika über eine ganz eigene Form der Therapie, der letzte Film des Ausnahmeregisseurs Satoshi Kon. Schon im Sommer des gleichen Jahres war Das Mädchen, das durch die Zeit sprang an der Reihe, das jedoch nicht direkt auf dem gleichnamigen 1967 erschienenen Roman basiert, sondern eine inoffizielle Fortsetzung darstellt – mit dem Unterschied, dass nicht die Heldin von damals, sondern deren Nichte das Zeitreisen für sich entdeckt hat.

Science-Fiction-Genre und Paprika zum Trotz, Das Mädchen, das durch die Zeit sprang ist sehr viel weniger abgehoben, als mancher vielleicht vermuten mag. Hier gibt es keine ausgefeilten Technologien oder verschrobene Paradoxien, sondern erst einmal viel Humor. Während viele die Möglichkeit des Zeitreisens dafür nutzen würden, bei Lotterien groß abzusahnen oder einmal die Dinosaurier live zu sehen, ist Makoto viel genügsamer: Sie dreht die Zeit zurück, um pünktlich in der Schule zu sein, bei Tests besser abzuschneiden, zehn Stunden Karaoke zum Preis von einer zu singen oder ihr Lieblingsessen noch mal verputzen zu können. Das ist ebenso sympathisch simpel wie witzig, auch die Art und Weise, wie Makoto in die Vergangenheit zurückkehrt, regt mindestens zum Schmunzeln an: Zeitsprung ist hier wörtlich zu nehmen, das Mädchen muss durch die Luft hetzen und Purzelbäume schlagen für das gewünschte Ergebnis – was oft zu komischen Situationen führt.

Später mischen sich jedoch zunehmend nachdenklichere, sogar dramatischere Elemente mit hinein. Zum einen muss Makoto feststellen, dass sie nicht beliebig Ereignisse ändern kann, all ihre Handlungen Folgen haben – und die können trotz bester Absicht sehr traurig sein. Zum anderen regen sich in der jungen Protagonistin auch erste romantische Gefühle, die sie nicht so recht zuordnen kann. Anders als bei vielen Anime über eine junge Liebe, verzichtet Das Mädchen, das durch die Zeit sprang auf überlebensgroßes Melodram, bleibt bis zum Schluss seiner ruhigen Erzählweise treu. Auch wenn die Zielgruppe prinzipiell eher aus jüngeren Zuschauerinnen besteht, bietet der Film ähnlich wie The Place Promised in Our Early Days genug Anknüpfungspunkte, um ein weiteres Publikum anzusprechen. Nicht ohne Grund galt Mamoru Hosoda, der zuvor nur Lizenzprodukte wie Digimon und One Piece filmisch umsetzte, mit einem Schlag als einer der vielversprechendsten Nachwuchsregisseure seiner Zeit.

Auch optisch gibt sich der Beitrag vom Fantasy Filmfest 2007 keine Blöße, wie man es von einer Produktion des Animationsstudios Madhouse (Robotic Angel, Millennium Actress) erwarten durfte. Zwar gibt es hier, bis auf die psychedelischen Zeitsprünge selbst, keine nennenswerten Effekte, Das Mädchen, das durch die Zeit sprang ist auch in der Hinsicht entspannt-unspektakulär. Ansonsten gibt es aber weder animationstechnisch noch zeichnerisch etwas auszusetzen, schlichtere und detailverliebte Szenerien geben sich die Klinke in die Hand, manchmal wird auch mit schönen Lichtstimmungen gearbeitet. Und die sind wichtig in einem Film, dem es mehr auf Atmosphäre ankommt als auf die Handlung, darauf, was es heißt, als junger Mensch seinen Weg im Leben erst noch finden zu müssen. Wer besonders Interesse an dem Zeitreiseaspekt hat, sollte lieber auf die baldige deutsche Veröffentlichung von Steins;Gate warten. Alle anderen dürfen Makotos etwas anderen Abenteuern aber eine Chance geben.



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Ein Mädchen entdeckt die Möglichkeit des Zeitreisens, was sowohl für sie wie auch den Zuschauer mit unerwarteten Folgen verbunden ist. Erst komisch, später nachdenklich erzählt der Anime, was es heißt, als junger Mensch seinen Weg zu finden, kombiniert Elemente der Romanze mit der des Science Fiction zu einem gelungenen Gesamtpaket.
8
von 10