(„La French“ directed by Cédric Jimenez, 2014)
Wenn einer im Drogensumpf von Marseille aufräumen kann, dann er: Richter Pierre Michel (Jean Dujardin). Schon in Metz hatte er sich leidenschaftlich dem Kampf gegen das Verbrechen verschrieben und um die Opfer gekümmert. Als er 1975 in die südfranzösische Metropole versetzt wird, muss er jedoch feststellen, dass das dort alles noch eine ganze Ecke härter, brutaler, vor allem aber organisierter zugeht. Im Mittelpunkt der Unterwelt steht der gebürtige Neapolitaner Gaëtan „Tany“ Zampa (Gilles Lellouche), von dessen Machenschaften jeder weiß, gegen den aber nichts unternommen werden kann – schließlich gibt es keine Beweise, keine Zeugenaussagen, die ihn belasten würden. Mit seinem unbeirrten Eingreifen macht sich Michel dennoch schnell einen Namen, sehr zum Ärger seine Frau Jacqueline (Céline Sallette), die nicht nur unter der Arbeitswut ihres Gatten leidet, sondern es auch bald mit der Angst zu tun bekommt, sie könnten selbst zur Zielscheibe werden.
Sein Auto solle man nicht in irgendwelchen Gassen parken, immer auf Handtaschen und ähnliches aufpassen, besser nicht nachts alleine rumlaufen – auch wenn die Bemühungen in den letzten Jahren groß waren, Marseille zu einem etwas positiveren Image zu verhelfen, für viele gilt es nach wie vor als ein gefährliches Pflaster. Nicht ganz unschuldig daran dürfte der exzessive Drogenhandel in den 60ern und 70ern gewesen sein, der in der südfranzösischen Hafenstadt florierte und auch die USA mit Unmengen an Heroin versorgte. So sehr, dass sich die USA genötigt fühlten, selbst einzugreifen und mit ihren europäischen Kollegen der sogenannten „French Connection“ ein Ende zu setzen.
Filmfans wissen das natürlich schon, schließlich lautete so der hierzulande unter dem Titel veröffentlichte Brennpunkt Brooklyn im Original, einer der bekanntesten und meistgeschätzten Crime Thriller der Filmgeschichte. Während dort der Blickwinkel aber eindeutig der der Amerikaner war, ist Der Unbestechliche eine nahezu rein französische Angelegenheit. Die Kollegen von jenseits des Großen Teiches tauchen zwar auf, spielen aber keine größere Rolle. Stattdessen steht eben Richter Pierre Michel im Mittelpunkt: aufrecht, unbestechlich, ein bisschen besessen von seiner Arbeit. Ein recht typischer Held also, der abgesehen von der Vernachlässigung seiner Familie keine echten Ecken und Kanten hat.
Allgemein ist das mit den Figuren in dem Beitrag des Fantasy Filmfests 2015 so eine Sache: Der Film ist überlaufen von Menschen, die nahezu alle Dreck am Stecken haben – wie zu erwarten hat das lukrative Drogengeschäft auch die Vertreter des Staates auf der Gehaltsliste –, denen es darüber hinaus aber an tatsächlichen Merkmalen fehlt. Trotz einer recht langen Laufzeit von 135 Minuten bleiben nur wenige der Charaktere am Ende in Erinnerung, die meisten verschwimmen so sehr vor dem eigenen Auge, dass man manchmal schon gar nicht mehr weiß, wer hier denn nun wer sein soll, wer mit wem verbunden ist. Ein weiteres inhaltliches Manko: Der Unbestechliche macht von Anfang an klar, wie skrupellos und brutal die Verbrecher vorgehen, jeden abknallen, der sich ihnen in den Weg stellt – selbst am helllichten Tag und vor Dutzenden Zeugen. Pierre Michel hingegen, der zunehmend zu einem echten Problem wird und damit die naheliegendste Zielscheibe, der läuft unbehelligt durch die Straßen, ohne dass sich die Unterwelt groß darum kümmert.
Während so das eine oder andere Fragezeichen am Ende stehenbleibt, ist der Thriller atmosphärisch dafür umso gelungener. In hellen, leicht verblichenen Farben wirkt Der Unbestechliche wie ein Blick in ein altes Fotoalbum, das mit vielen kleinen Details und historischen Einspielern seine Authentizität unterstreicht. Allgemein legte der selbst in Marseille geborene Regisseur und Ko-Autor Cédric Jimenez großen Wert auf Realismus. Große Actionszenen gibt es weniger, keine ausgefeilten Schießereien oder Verfolgungsjagden, stattdessen erzählt der Franzose ganz ruhig und unaufgeregt seine Geschichte. Nennenswerte Längen gibt es dennoch nicht, denn der wachsende Duellcharakter zwischen Michel und Zampa hält das Interesse hoch, lässt einen mitfiebern, ob und wie der Richter am Ende siegreich sein wird.
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