(„Evangerion shin gekijôban: Jo“ directed by Hideaki Anno, Masayuki and Kazuya Tsurumaki, 1997)
Seit Jahren schon haben der inzwischen 14-jährige Shinji Ikari und sein Vater Gendo sich nicht mehr gesehen, als der Junge eines Tages nach Tokyo-3 gerufen wird. Statt eines herzlichen Wiedersehens steht aber erst einmal Todesangst auf dem Programm: Die Stadt wird von einer riesigen Kreatur angegriffen. Und dabei scheint es sich um kein Einzelexemplar zu handeln, schon vorher haben die als Engel bezeichneten Wesen die Menschen terrorisiert – ohne dass der Rest der Welt etwas davon wissen durfte. Die letzte Rettung stellen ebenso gigantische Kampfmaschinen dar, die ausschließlich von Kindern gesteuert werden können – und Shinji soll nach Vorstellung seines Vaters einer dieser Piloten werden.
„Wie oft lässt sich ein und dieselbe Geschichte eigentlich erzählen?“, dürfte sich so mancher gefragt haben, als Hideaki Anno verkündete seine Kultserie Neon Genesis Evangelion erneut zu verfilmen. Das hatte er 1997 schon einmal getan, Death & Rebirth und The End of Evangelion hießen die beiden eilig hinterhergeschobenen Filme, mit denen er auf die Kritik am konfusen, introspektiven Ende der Serie begegnete. Fünf Jahre später schon begann er erneut mit einer Neuauflage, denen er den Gesamttitel Rebuild of Evangelion gab. Aber es sollte noch weitere fünf dauern, bis mit Evangelion: 1.0 – You Are (Not) Alone der erste Teil dieser Reihe erschien, der anschließend noch mehrfach verfeinert wurde und als Version 1.11 in den hiesigen Verkaufsregalen zu finden ist.
Das Rad neu erfunden werden sollte der Anime dabei nicht, zumindest der erste Teil hält sich über weite Strecken sehr eng an das Original. Das geht so weit, dass manche Szenen fast 1:1 aus dem Klassiker übernommen wurden. Aber wozu das Ganze dann? Lohnt sich die Neuauflage der Serie für deren Besitzer überhaupt? Ja und nein. So ist die Optik trotz gleichgebliebener Designs deutlich verbessert, Anno und das von ihm eigens gegründete Animationsstudio Khara nutzen die seither erreichten technischen Fortschritte und auch das größere Budget, um an vielen Stellen die Bilder aufzupolieren. Und das kommt gerade den Actionsequenzen zugute, die schon in Neon Genesis Evangelion zu den Höhepunkten zählten und einen nun mit voller Wucht erschlagen. Auch der Computer kommt nun deutlich mehr zum Einsatz, ohne dass dies jedoch irgendwie negativ auffallen würde, die Effekte und die Zeichentrickelemente verschmelzen harmonisch miteinander.
Gleichzeitig müssen Fans aber mit den zwangsläufigen Kürzungen leben, die damit einhergehen, wenn eine 26-teilige Serie auf vier Spielfilme verteilt werden muss. Ganz so grotesk verstümmelt wie in Death & Rebirth wird der Inhalt zwar nicht, auf einige liebevolle Eigenheiten des Originals muss man jedoch verzichten: Was einstmals zwischen persönlichem Drama und humorvollen Momente wechselte, zwischen philosophischen und temporeichen, wird in You Are (Not) Alone stark begradigt. Das macht den den Beitrag vom Fantasy Filmfest 2008 auf der einen Seite bekömmlicher, da viele auch religiöse Anspielungen der Schere zum Opfer fielen, das Grübeln tendenziell dem Staunen weicht. Nur war Neon Genesis Evangelion noch mehr als das, erlangte eben durch seine nachdenklich stimmenden Elemente und auch die Interaktionen zwischen den Charakteren seinen Kultstatus. Und davon ist zumindest im ersten Film nicht mehr viel übrig.
Sehenswert ist aber auch die Neuinterpretation, da sie neben besagten eindrucksvollen Actionszenen noch genügend Mystery-Momente beinhaltet, die einen als Neueinsteiger neugierig machen auf das, was da kommt. Was hat es mit diesen Engelmonstern auf sich, was genau wollen die? Warum ist Rei so unterkühlt und was ist ihre Beziehung zu Gendo? Und wer ist der seltsame Mann, der am Ende gezeigt wird? Zumindest einige der Antworten wurden im Nachfolger Evangelion 2.22: You Can (Not) Advance aufgegriffen, der ebenfalls auf Deutsch erhältlich ist.
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