Extraordinary Tales
© Bac Films

(„Extraordinary Tales“ directed by Raul Garcia, 2015)

Extraordinary TalesNachdem wir zuletzt mit Shaun das Schaf – Der Film und Das Mädchen, das durch die Zeit sprang tendenziell eher etwas für jüngere Zuschauer im Programm haben, sind bei Teil 71 unseres fortlaufenden Animationsspecials wieder die älteren an der Reihe. Tatsächlich sollten gerade Horrorveteranen hier leuchtende Augen bekommen – und das aus mehreren Gründen.

Bald jährt sich sein Tod bereits zum 166. Mal, doch seine finsteren, fantastischen, oft auch makabren Geschichten haben den amerikanischen Autor Edgar Allen Poe unsterblich gemacht. Daran waren auch die vielen Filme und Serien nicht unschuldig, die seine Werke entweder direkt umsetzen oder zumindest Anspielungen an diese enthielten. Die Flut an Adaptionen hat jedoch den Nachteil, dass es heutzutage nur sehr schwer ist, mit einer neuen Version das Publikum noch begeistern zu können. Raul Garcia schaffte dies 2015 dennoch, zuerst auf dem Filmfest München, dann beim Fantasy Filmfest. Das lag jedoch weniger an dem altbekannten Inhalt, sondern der Art und Weise, wie dieser präsentiert wurde.

Fünf Kurzgeschichten waren es, die der Regisseur und Ko-Autor aus dem reichhaltigen Werk Poes herausgepickt und in animierter Form umgesetzt hat. Das Besondere dabei ist die visuelle Vielfalt: Die fünf Minifilme sind jeweils in einem anderen Stil gehalten. Da treffen eine an Sin City erinnernde Schwarz-Weiß-Optik auf eine Computerspielgrafik, 50er-Jahre-Comics auf Ölgemälde. Natürlich kann es der Detailreichtum nicht mit ausgewachsenen Kinofilmen aufnehmen, dafür ist der Rahmen zu klein, das Budget war es mit Sicherheit auch. Aber allein die große Abwechslung macht Extraordinary Tales zu einem Muss für jeden Freund von Animationsfilmen, die Sammlung ist ein Beweis dafür, was im Bereich 3D-Animation abseits der stromlinienförmigen Blockbuster alles möglich ist..

Der zweite große Pluspunkt ist die immens hochkarätige Besetzung: Roger Corman, Guillermo del Toro, Christopher Lee, Bela Lugosi, Julian Sands – sie alle haben hier Sprechrollen übernommen. Noch ein letztes Mal die tiefe Stimme Lees hören zu dürfen, der bei der Verfilmung von „The Fall of the House of Usher“ einen seiner letzten Auftritte hatte, das ist zusammen mit den an Manolo und das Buch des Lebens erinnernden Designs genug, um Gänsehaut zu erzeugen. Und das gilt natürlich auch, wenn die anderen Genregrößen hinters Mikro treten: Corman, der durch seine eigenen Poe-Adaptionen Anfang der 60er Ruhm erlangte, und Horrorveteran Lugosi, der durch eine alte Aufnahme hier vertreten ist.

Lässt man diese audiovisuellen Genüsse einmal außen vor, ebenso die Freude über die große Prominenz, ist Extraordinary Tales jedoch nur wenig aufregend. Die Kürze der Beiträge, die zusammen gerade einmal 70 Minuten lang sind, verhindern auf der einen Seite Langeweile, sind dem Spannungsaufbau aber ebenfalls eher hinderlich. Oft ist eine Geschichte bereits vorbei, bevor man sie richtig verinnerlicht hat, auch die Entscheidung, die Handlung durch Erzähler vorzutragen, anstatt die Figuren selbst sprechen zu lassen, sorgen für Distanz.

Unheimlich sind die fünf Kurzfilme natürlich dennoch, aber eher auf eine wohlig-gruselige Art und Weise. Kurzfilme, bei denen man sich auf der Couch in eine Decke kuschelt, anstatt angespannt auf den Nägeln zu kauen. Umrahmt werden die fünf über viele Jahre entstandenen Einzelwerke durch eine Unterhaltung Poes mit dem Tod – stilecht auf einem Friedhof. Auch diese Abschnitte sind schön poetisch-morbide geworden, halten die Adaptionen aber nur notdürftig zusammen. Leider ist bislang kein deutscher Veröffentlichungstermin der Anthologie bekannt, selbst im Ausland ist noch kein DVD-Release angekündigt. Es sollte aber mit dem Teufel zugehen, wenn Extraordinary Tales nach den erfolgreichen Festivalteilnahmen wieder völlig in der Gruft verschwindet.



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„Extraordinary Tales“ vereint fünf Kurzfilme, die auf Geschichten von Edgar Allen Poe basieren. Da jede davon in einem anderen optischen Stil umgesetzt wurde, ist die visuelle Abwechslung sehr hoch, zudem konnten hochkarätige Sprecher gewonnen werden. Wirklich spannend sind die Einzelwerke jedoch nicht, vielmehr verströmen sie eine wohl-schaurige Atmosphäre.
7
von 10