(„Samba“ directed by Eric Toledano, Olivier Nakache, 2014)
„Du musst Distanz wahren!“, rät Manu (Izïa Higelin) ihrer neuen Kollegin Alice (Charlotte Gainsbourg), die nach einem Burn-out dazu beschlossen hat, sich erst einmal ehrenamtlich um illegale Einwanderer zu kümmern, die abgeschoben werden sollen. Ein solcher ist Samba (Omar Sy), der nach zehn Jahren Aufenthalt und mit seiner Arbeit in einer Küche darauf hofft, endlich einmal in Frankreich bleiben zu dürfen – vergeblich. Und auch die Bemühung von Alice, das Schicksal des jungen Mannes nicht an sich herankommen zu lassen, scheitert recht schnell, denn insgeheim hat sie schon Gefallen gefunden an dem gutaussehenden Senegalesen. Samba selbst hat jedoch ganz andere Dinge im Kopf, hangelt sich mit seinem brasilianischen Kumpel Wilson (Tahar Rahim) von Job zu Job, um irgendwie über die Runden zu kommen.
Kaum ein Film dürfte in den letzten Jahren ähnlich überraschend die europäischen Kinocharts dominiert haben wie Ziemlich beste Freunde. Sind es sonst die großen Hollywood-Studios, welche den Kuchen unter sich aufteilen, gelang es dem kleinen französischen Film allein schon in Frankreich und Deutschland zusammen 28 Millionen Zuschauer in die Kinos zu locken – von solchen Zahlen konnten selbst Der Hobbit, Skyfall oder aktuell Minions nur träumen. Entsprechend groß dürfte der Druck auf das Drehbuch-/Regieduo Eric Toledano und Olivier Nakache gewesen sein, den Erfolg noch einmal zu wiederholen. Falls ja, haben sie sich davon aber nicht beeindrucken lassen, drei Jahre sollte es dauern, bis Heute bin ich Samba in die Kinos kam.
Am grundsätzlichen Schema hat sich dafür relativ wenig getan: Noch immer loten die beiden die Grenzen zwischen Komödie und Drama aus, das Thema entstammt erneut aus einem erstaunlich ernsten Bereich. Und um ganz sicher zu gehen, dass der Wiedererkennungswert hoch ist, wurde Omar Sy auch dieses Mal für die Hauptrolle verpflichtet. Und doch sind die beiden Filme nur zum Teil vergleichbar. War Ziemlich beste Freunde im Herzen eine herrlich unverkrampfte Komödie mit ernsten Elementen, ist Heute bin ich Samba ein hartes, streckenweise deprimierendes Drama, welches durch Humor aufgelockert wird.
„Du darfst nicht auffallen!“ lautet das oberste Gebot, das Samba immer wieder eingetrichtert wird, von seinem Onkel, von den ehrenamtlichen Betreuern. „Nur wenn keiner weiß, dass du da bist, kannst du bleiben“ die Schlussfolgerung. Mal mehr, mal weniger wird damit die Frage aufgeworfen, wie wir – in einer erschreckenden Aktualität – mit Leuten umgehen, die in ihrem Land keine Zukunft mehr haben. Wie wir mit ihnen umgehen wollen. Natürlich wird hier etwas einseitig mit der Thematik hantiert, Samba als Sympathieträger darf hier nichts anderes als das Opfer sein. Inwiefern eine Integration für das Land selbst ein Problem sein kann, das wird nicht einmal angesprochen. Reine Gutmenschen sind die Protagonisten indes nicht, gerade Samba zeigt an einer Stelle erschreckend wenig Skrupel.
Zwei weitere gesellschaftliche Knackpunkte werden, wenn auch in geringerem Maße, ebenfalls in Heute bin ich Samba eingeschleust. Zum einen findet über Alice die heutige Fokussierung auf Arbeit ihren Einzug. Sie, die sich so sehr durch ihre Arbeit definiert hat, dass im Anschluss an ihren Zusammenbruch nichts mehr von ihr übrig blieb, die durch eine ehrenamtliche Arbeit versucht, das Loch in sich zu füllen. Noch spannender wird es zum Schluss, wenn Sambas ständige Selbstaufgabe bei der Suche nach staatlicher Anerkennung ebenfalls zu einer Identitätskrise führt, er durch den Versuch der Anpassung nicht mehr weiß, wer er eigentlich ist.
Wirklich ausgeführt wird das Ganze aber nicht, was auch wenig die Crux des Films gibt: Es gibt hier so viele starke Momente, so viele interessante Themen, die angesprochen werden, die aber trotz zwei Stunden Länge nie wirklich in die Tiefe gehen. Nicht gehen können. Zumal auch, wohl des Publikums wegen, der Humor nicht zu kurz kommen darf. Und ja, trotz aller Tragik darf hier des Öfteren laut gelacht werden, etwa bei den absurden Momenten rund um Bürokratie oder auch jenen mit Wilson. Die sind auch erstaunlich überzeugend, bedenkt man, dass Tahar Rahim sonst eigentlich auf ernste Filme wie Ein Prophet oder Le Passé abonniert ist, hier aber vor allem für die Komik zuständig ist. Und Omar Sy darf nach diversen schwächeren Auftritten endlich wieder glänzen. Etwas, das Charlotte Gainsbourg ohnehin hier tut. Aber so ganz wollen sich die vielen guten Zutaten nicht zusammenfinden, Heute bin ich Samba zerfällt bei dem ständigen Spagatversuch in viele Einzelteile. Allein deshalb schon konnte die Tragikomödie kein weiteres Publikumsphänomen werden, kein zweites Ziemlich beste Freunde. Was sie auch nicht wurde. Lässt man diese Erwartung aber einmal außen vor, bleibt ein trotz allem guter, nachdenklicher und erschreckend menschlicher Film, der seinem Publikum eine ganze Menge zu erzählen hat.
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