(„Inside Out“ directed by Pete Docter and Ronnie del Carmen, 2015)
Seitdem Riley ihre Heimatstadt verlassen musste, um mit ihrer Familie nach San Francisco zu ziehen, herrscht in der 11-Jährigen ein einziges Gefühlschaos. Freude versucht, das Beste aus der Situation zu machen und den neuen Ort als große Gelegenheit für neue Erfahrungen anzusehen. Angst, Wut, Ekel und Traurigkeit, die zusammen mit Freude das Kommandozentrum in Riley steuern, tun sich da schon etwas schwerer, wissen nicht so recht, wie sie mit dieser fremden Situation umzugehen haben. Als Freude und Traurigkeit während einer kleinen Auseinandersetzung verloren gehen und die drei anderen sich plötzlich um alles kümmern müssen, bricht ein einziges Chaos aus, und Riley steht davor, eine folgenschwere Entscheidung zu treffen.
Als das amerikanische Animationsstudio Pixar 1995 Toy Story in die Kinos brachte, war dies nicht nur der erste rein am Rechner entstandene Langfilm, sondern markierte auch den Startschuss für eine unglaubliche Karriere. Seither waren sie bekannt als Edelschmiede, die zur Speerspitze des computergenerierten Animationsfilms gehörten und sogar ihrem späteren Mutterkonzern Disney das Fürchten lehrte. In den letzten Jahren war jedoch der Glanz ein wenig verloren gegangen: Ob Cars 2, Merida oder Die Monster Uni, die Resonanz war eher verhalten, Pixar drohte in dem von allen Studios hart umkämpften Markt nur ein Name unter vielen zu werden. Umso begeisterte waren die Reaktionen, als sich Pixar bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes nach gut zweijähriger Pause mit Alles steht Kopf zurückmeldeten, das nicht nur die ersehnte Rückkehr zu alter Form markierte, sondern insgesamt zum Besten gehört, was der Animationsbereich in den letzten Jahren hervorgebracht hat.
Optisch konnte den Amerikanern ohnehin kaum jemand etwas vormachen, wenig überraschend ist auch das neueste Werk in der Hinsicht daher makellos geworden. Schon die reale Welt ist dabei sehr schön anzusehen, gefällt trotz des typischen Computerlooks durch Charme und eine liebevolle Ausgestaltung. Doch die wahren Höhepunkte warten in Rileys Innenleben: Die fünf Helden sind anhand ihrer Farben leicht den entsprechenden Emotionen zuzuordnen, verstärkt durch Mimik, Gestik und Körperhaltung, die sie fast schon zu Karikaturen machen. Und auch die einzelnen Bereiche der Gefühlswelt sind wunderbar ausgestaltet, Freude und Traurigkeit müssen während ihrer Reise die unterschiedlichsten Orte durchqueren.
Schade jedoch, dass sie dort meist relativ kurz sind, ein Großteil des Films spielt sich in der Kommandozentrale und dem Haus von Rileys Familie ab, was Alles steht Kopf manchmal visuell etwas eintönig werden lässt – gerade angesichts des Themas. Das zweite kleine Manko: Pete Docter (Die Monster AG, Oben) und Ronnie del Carmen, die zusammen die Geschichte ersannen und Regie führten, machen relativ wenig aus den weiteren Gefühlen. Dass Freude und Traurigkeit die beiden Hauptfiguren sein sollen, ist klar; immer wieder fragt man sich jedoch, wozu es den Rest überhaupt noch braucht, zu sehr beschränken sich ihre Rollen darauf, Stichwortgeber oder Comic Relief zu sein.
Beides trübt den ansonsten fantastischen Gesamteindruck aber nur minimal ein, Pixar zeigen hier, dass sie sich wie kaum jemand darauf verstehen, beste Unterhaltung für die ganze Familie zu kreieren. Die Grundidee ist in dem sonst oft leider auf Sicherheit bedachten Blockbuster-Animations-Einerlei wohltuend originell, vereint komische mit rührenden Momenten, die junge Zuschauer zum Lachen bringen werden, mit denen sich aber auch ältere identifizieren können. Schließlich wissen wir alle, dass oft konkurrierende Emotionen in uns kämpfen, wir immer die Summer ihrer Teile sind. Zum Schluss gibt es noch eine Botschaft mit auf den Weg, die simpel ist, für einen solchen Film aber doch gleichzeitig wieder mutig: Es ist okay, unschöne Gefühle zu haben, sie gehören auf dem langen und oft komplizierten Weg ins Erwachsenenalter einfach dazu und machen dich zu dem, der du bist. Und allein dafür muss man diesen Höhepunkt des aktuellen Filmjahres einfach lieben.
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