Der dunkle Kristall
© Sony Pictures

Der dunkle Kristall

(„The Dark Crystal“ directed by Jim Henson, Frank Oz, 1982)

Der dunkle KristallViel Zeichentrick, diverse Stop-Motion-Abenteuer, dazu ein wenig Computer – in unserem fortlaufenden Animationsspecial kommen die unterschiedlichsten Techniken zum Einsatz. Doch selbst innerhalb dieser illustren Schar nimmt Teil 77 eine Sonderstellung ein, auch 30 Jahre später.

Als vor tausend Jahren in der fernen Welt Thra der dunkle Kristall einen Riss bekam, war dies die Geburtstunde zweier neuer Rassen: die Skekse, welche seither mit harter Hand über das Land herrschen, und die friedliebenden, zurückgezogen lebenden Zauberer Uru. Doch die Herrschaft der Tyrannen hat bald ein Ende, wenn man der alten Prophezeiung Glauben schenkt. Die besagt, dass ein Gelfling den Kristall und den abgebrochenen Splitter wieder vereint und somit für Frieden sorgt – was die Skekse unter allen Umständen verhindern wollten, indem sie die komplette Rasse der Geflinge auslöschten. Nur einer, der junge Jen, konnte diesem Schicksal entkommen und wuchs wohl behütet bei den Urus auf. Bis zu jenem Tag, als er auf eine Reise geschickt wurde, um die Prophezeiung zu erfüllen.

Mehrere Jahre arbeiteten der Muppets-Schöpfer Jim Henson und sein erfahrener Puppenkollege Frank Oz an Der dunkle Kristall. Und wer den Film kennt, der sieht schnell warum. Ein kompletter Real-Spielfilm ganz ohne Menschen, das war schon sehr ambitioniert, zumal anders als bei Hensons berühmter TV-Serie hier praktisch keine Handpuppen zum Einsatz kamen. Gerade die Skekse und Urus sind von einer imposanten Größe, wurden teils durch Menschen im Inneren bewegt, teils durch Stäbe und Kabel, teils auch durch Fernsteuerung. Wirklich rasant sind die Animationen nicht, gerade die Actionsequenzen sind eher eines gemächlichen Tempos. Beeindruckend ist es dennoch, wenn Jen über Regale turnt oder die Skekse übereinander herfallen.

Die vermeintlich anachronistische, völlig computerfreie Optik von Der dunkle Kristall ist aber auch der ungewöhnlichen Designs wegen noch immer sehr sehenswert. Keine Rasse hier gleicht der anderen, Thra wird von Wesen bevölkert, von den eines bizarrer als das nächste ist. Die Skekse beispielsweise sind eine zugleich schrille und abstoßende Mischung aus Vogel und Reptil, die Urus gleichen eher gebückt laufenden Dinosauriern. Hübsch ist hier niemand wirklich, nicht einmal Jen, der in dem Kuriositätenkabinett einem Menschen noch am ähnlichsten sieht und damit die langweiligste aller Rassen darstellt. Das ist aber auch das einzige Manko in der Hinsicht: Wohin man auch blickt, entdeckt man kleine Details, seltsame Figuren, fremde Landschaften, die oft nur kurz, viel zu kurz zu sehen sind.

Inhaltlich ist der Puppenfilm jedoch ein eher gemischtes Vergnügen. Die Hintergrundgeschichte von Thra fasziniert, die Folklore der fernen Welt steht ihrer Ausarbeitung in nichts nach. In Der dunkle Kristall ist das aber nicht viel mehr als ein Mittel zum Zweck, eine Ausrede, um der visuellen und technischen Kreativität freien Lauf zu lassen. An klassischen Grimm-Märchen wollte sich Henson orientieren, der auch die Storyidee hatte. Und das bedeutet hier dann eben, den Helden auf eine Reise zu schicken und anderen Figuren zu begegnen. Wirklich große Abenteuer erlebt Jen dabei nicht, sieht man einmal von Überfällen durch die Schergen der Skekse ab, ist die Reise recht ereignislos.

Aber nicht nur die simple Geschichte erinnert an Märchen von einst, Henson setzt sich auch über den in den letzten Jahrzehnten stärker gewordenen Hang zur Harmlosigkeit hinweg. Blut fließt keins in Der dunkle Kristall, und doch ist der Film geprägt von einer Atmosphäre der Grausamkeit, in der Leben ein Privileg ist, keine Selbstverständlichkeit. Gerade die dekadent-sadistischen Skekse, deren Ausgestaltung an die sieben Todsünden erinnern sollte, lassen es einem auch dem Kindheitsalter entwachsen eiskalt den Rücken hinunterlaufen. Es sei ungesund für Kinder, niemals Furcht zu empfinden, hat Henson einmal gesagt. Denn die gehört zum Leben nun mal dazu. Und auch das zieht sich wie ein roter Faden durch den Film: Das Dunkle und das Licht lassen sich nicht völlig voneinander trennen, das eine bedingt das andere, beides ist notwendig, um die Welt in einem Gleichgewicht zu halten. Ein großer Erfolg wurde Der dunkle Kristall aufgrund seiner düsteren Stimmung seinerzeit nicht, erlangte mit der Zeit aber einen so großen Kultstatus, dass noch immer darüber nachgedacht wird, doch noch einen zweiten Film zu drehen. Schön wäre es, der interessanten Welt wegen und um im Animationsbereich eine seltsame Alternative zum häufigen Einheitsbrei zu bieten.



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Jim Henson und Frank Oz orientieren sich in „Der dunkle Kristall“ an den Märchen von einst und erzählen dabei von einer fremden Welt voller bizarrer Figuren. Das ist der Designs wegen sehenswert, auch für die damals technisch beeindruckende Puppenumsetzung lohnt sich der Film. Inhaltlich darf man jedoch nicht viel erwarten, dafür ist die Geschichte zu simpel.
7
von 10