(„Evangerion shin gekijôban: Kyū“ directed by Hideaki Anno, Masayuki, Kazuya Tsurumaki and Mahiro Maeda, 2012)
14 Jahre sind seit dem Third Impact vergangen. 14 Jahre, in denen Shinji Ikari in seiner EVA Einheit-01 eingeschlossen und ohne Bewusstsein war. Was mit Rei Ayanami passiert ist, die er seinerzeit gerettet hat, kann keiner sagen. Noch immer kämpfen die Menschen gegen riesige Wesen, Engel genannt, welche die Erde attackieren. Und doch hat sich vieles getan seither: Nahezu alles Leben ist verschwunden und seine einstigen Mitstreiter Misato Katsuragi und Asuka Langley Shikinami haben eine neue Organisation namens WILLE gegründet, um den alten Arbeitgeber NERV zu bekämpfen – und auch Shinji, der damals die Katastrophe ausgelöst hat.
Mehr als drei Jahre hatten Fans auf den Start von Evangelion: 3.0 – You Can (Not) Redo warten müssen, um zu erfahren, wie es mit Shinji, Rei und Asuka weitergeht. Und das war insofern recht hart, da der Vorgänger Evangelion: 2.0 – You Can (Not) Advance zuvor mit einem Ende aufwartete, das mehr Fragen aufwarf, als Antworten zu geben. Wer Letztere nun hier erhoffte, der war hoffentlich mit einer hohen Frustgrenze gesegnet, denn auch gut 90 Minuten später war man quasi so schlau wie zuvor. Neueinsteiger sind komplett verloren, denn Erklärungen und Kontexte werden keine gegeben, aber auch als alter Hase wird man sich im Anschluss fragen, was genau man da eben eigentlich gesehen hat.
Nun sind Anhänger der Kultserie Neon Genesis Evangelion, welche in der vierteiligen Rebuild of Evangelion Reihe neu erzählt wird, es ja gewohnt, dass vieles auf den ersten Blick keinen großen Sinn ergibt, manches auch auf den zweiten. So konfus wie hier wurde es aber nur selten. Rund ein Drittel des neuen Films müssen vergehen, bevor überhaupt die Geschichte einen richtigen Anfang nimmt. Davor gibt es einen großen Kampf, einige bekannte Charaktere treten auf, leicht verändert, Shinji wird von den ehemaligen Kameraden nur mit Verachtung gestraft.
Das ließe sich noch verkraftem, schließlich schlüpfen wir hier mehr denn je in die Rolle Shinjis, teilen seine Konfusion über eine Welt, in der sich so vieles verändert hat – zum Schlechten, wohlgemerkt. Nur ist Evangelion: 3.33 – You Can (Not) Redo, wie die überarbeitete Heimfassung heißt, auch im Anschluss inhaltlich äußerst genügsam. Die Geschichte kommt kaum vom Fleck, von den Charakteren, die einst in der Serie noch im Mittelpunkt standen, ist heuer kaum mehr etwas übriggeblieben. Nachdem zuletzt in Evangelion: 2.22 wieder etwas mehr interagiert wurde, steht man sich hier so spinnefeind und frostig gegenüber, dass praktisch gar nichts mehr passiert.
Wo aber Handlungen und Dialoge fehlen, da auch kein echter Fortschritt. Zwar werden einige Hintergründe gelüftet und erste Punkte für das noch ausstehende Finale im geplanten Abschlussfilm vorbereitet, mehr denn je ist Evangelion: 3.33 aber ein Film, der ausschließlich als Bindeglied funktioniert. Die Figuren bleiben distanziert, die psychologischen Abgründe sind hinter einer Mauer des Schweigens verborgen. Lediglich das Verhältnis zwischen Shinji und Kaworu Nagisa wird intensiviert, mit einigen ungewohnten homoerotischen Untertönen. Vom Rest ist kaum mehr etwas zu sehen, die in Evangelion: 2.22 eingeführte Mari Illustrious Makinami darf auch dieses Mal lediglich kämpfen, nicht sprechen.
Immerhin sieht das, wie man es von der Reihe gewohnt ist, sehr gut aus, Serienschöpfer Hideaki Anno und Studio Khara wissen, wie man die aktuelle Animationstechnik effektiv einsetzt – wenngleich der Computereinsatz dieses Mal ein bisschen sehr markant, die Optik eine Spur zu clean ist. Schade auch, dass ohne eine echte Erklärung alle Figuren noch genauso aussehen wie 14 Jahre zuvor, was den Eindruck weiter verstärkt, dass die Filme auf der Stelle treten. Immerhin dürfen wir zum Ende hin auch wieder einige der bizarren Bilder bestaunen, welche ein integraler Bestandteil von Neon Genesis Evangelion waren. Aber reicht das für eine echte Empfehlung? Nicht so wirklich, weshalb der dritte Teil bei Langzeitfans höchst umstritten ist, viele darin den Tiefpunkt der beliebten Franchise sehen. Umso schlimmer, dass Teil vier, welcher den vorläufigen Titel Evangelion: 3.0 + 1.0 trägt, noch immer in weiter Zukunft liegt. Das Rätselraten, wie Annos dritter Abschluss ein und derselben Geschichte – nach der Serie und The End of Evangelion – wohl aussehen wird, das wird noch eine ganze Weile weitergehen.
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