(„Every Thing Will Be Fine“ directed by Wim Wenders, 2015)
Die Sicht ist schlecht, als sich Buchautor Thomas (James Franco) an einem Winterabend hinter das Steuer setzt. Und so hat er dann auch keine Chance, als zwei Kinder auf ihrem Schlitten angesaust kommen. Während der ältere Junge mit dem Schrecken davon kommt, ist sein Bruder auf der Stelle tot. Sowohl der Unglücksfahrer wie auch Kate (Charlotte Gainsbourg), die Mutter des Jungen, stürzen daraufhin in tiefe Krisen, denen sie auf ganz unterschiedliche Weisen begegnen. Zwölf Jahre später ist Thomas als Schriftsteller etabliert, nachdem er seine Erlebnisse in seinen Romanen verarbeitet hat. Da meldet sich Christopher (Robert Naylor) eines Tages bei ihm, der seinerzeit den Unfall überlebt hatte.
Wie gehe ich damit um, mein Kind verloren zu haben? Wie damit, an dessen Tod beteiligt gewesen zu sein? Es sind keine schönen Fragen, mit denen einen Regieveteran Wim Wenders hier konfrontiert. Fragen über die man lieber nicht so recht nachdenken mag. Every Thing Will Be Fine tut es, dann aber auch wieder nicht. „Ich will nicht drüber reden“, sagt Thomas, wenn er auf die traumatische Erfahrung angesprochen wird. Es rumort in ihm, es frisst ihn auf, so zumindest die Behauptung. Zu sehen ist davon jedoch nichts, bei ihm nicht, bei Kate nicht. Lediglich Sara (Rachel McAdams), mit der er anfangs zusammen ist, sucht die Konfrontation in der Begegnung, der Rest trägt seine Kämpfe im Inneren aus.
Das ist sowohl auf der persönlichen wie auch filmischen Ebene legitim, nicht jedes Drama muss sein Leid vor dem Zuschauer ausweiden. Ganz ausschließen sollte er ihn aber auch nicht. Every Thing Will Be Fine, das ist in etwa so, als würde man einen anderen Menschen dabei beobachten, wie er ein Buch liest. Wir sehen das Mechanische daran, die Bewegungen, nicht aber was er liest. Und das trifft auch auf Thomas zu: Trotz seiner offenkundigen Probleme, die sich unter anderem in dem Scheitern seiner Beziehung äußern, in einem halbherzigen Selbstmordversuch, der Umgang mit seiner Schuld wirkt immer so, als würde sie nicht ihn betreffen.
Dass er seine Erfahrungen in Büchern verarbeitet und auf diese Weise mit der Welt teilt, passt zu dieser Losgelöstheit der Ereignisse, dem Gefühl, dass nichts hier wirklich real ist, nichts authentisch und tatsächlich einfühlsam. Damit einher geht eine spannende Frage, die ihm Christopher zum Ende hin stellt: Darf man ein solches Unglück öffentlich machen und davon profitieren? Dürfen Schmerzen zu Kunst gemacht werden? Beantwortet wird das nicht, das Schweigen setzt kurz darauf wieder ein, die anderen Figuren haben ohnehin nichts Interessantes zum Thema beizutragen.
Bleiben noch die Bilder, und wenigstens an dieser Stelle hat Every Thing Will Be Fine eine ganze Menge zu bieten. Alleine die Szene des Unfalls, wenn der Bildschirm von weiten Landschaften, Schatten und Schneegestöber dominiert wird, ist ungemein atmosphärisch geworden. Und auch später gibt es wundervolle Aufnahmen, von der Natur, von einem Jahrmarkt. Aber auch hier gibt sich Wenders so sehr der Kunstfertigkeit hin, dass der Film eher beeindruckt denn wirklich bewegt. Die schöne Fassade, die er und die Schauspieler vorgeben, verdeckt so sehr das innere Leben, dass man sich irgendwann fragt, ob es Letzteres denn überhaupt gibt. „Alles wird gut“, beteuert Thomas. Für die Hässlichkeit des Lebens, da ist kein Platz, weder bei ihm, noch im Film.
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