Wer schon in den 80ern und frühen 90ern die fernöstliche Zeichentricklandschaft verfolgte, dürfte immer mal wieder über sie gestolpert sein: Mechas. Ob nun Mobile Suit Gundam oder Patlabor, Macross oder Bubblegum Crisis, sie alle enthielten meist schwer bewaffnete Riesenroboter, mit denen dem Gegner auf den Leib gerückt wurde. Als Neon Genesis Evangelion heute vor 20 Jahren am 4. Oktober 1995 im japanischen Fernsehen anlief, war das Prinzip also nicht wirklich neu. Was Serienschöpfer Hideaki Anno daraus machte jedoch schon.
Anthropomorphe Züge hatten die Maschinen fast immer schon gehabt, hier ging man jedoch einen Schritt weiter: Die EVA getauften Roboter wirkten wie lebende Wesen, die ihren eigenen Willen zu haben schienen und manchmal zu wilden Bestien mutierten, die beim Kampf kein Halten mehr kannten. Doch es waren nicht nur diese furchteinflößenden, an Horrorfilme erinnernden Momente, welche Neon Genesis Evangelion von der Konkurrenz unterschieden. Bemerkenswert war auch der Fokus auf die seelisch angeknacksten Figuren und die vielen philosophisch-religiösen Motive. Anno, der zuvor selbst an einer schweren Depression erkrankt war und im Laufe der Produktion großes Interesse an seelischen Störungen entwickelte, bewegte sich im Laufe der 26 Folgen immer weiter weg von den furiosen Kämpfen gegen die als Engel bezeichneten Monster. Stattdessen wurde die Serie immer introspektiver, nachdenklicher, zum Schluss auch kryptischer. Gerade die letzten beiden sehr experimentellen Folgen stießen viele Fans vor den Kopf, weil sie kaum mehr etwas damit zu tun hatten, was der Anime anfangs war.
Dennoch wurde Neon Genesis Evangelion ein enormer Erfolg, zog mehrere Manga, Bücher, Videospiele und eine Parodieserie nach sich. Und natürlich auch Filme. Schon ein Jahr nach dem Ende der Serie erzählte Anno deren Geschichte noch einmal neu: Death & Rebirth fasste die ersten 24 Folgen zusammen, The End of Evangelion bot ein alternatives Ende, das zwar immer noch sehr rätselhaft war, aber doch näher am Ursprung. Seit 2007 widmet sich der Regisseur und Drehbuchautor seiner nunmehr dritten Fassung der Ereignisse: Im vier Filme umfassenden Zyklus Rebuild of Evangelion wird die Serie noch einmal ganz anders aufgezogen, mit einer zunehmend abweichenden Geschichte, neuen Figuren und moderner Technik. Zwar beginnt die Tetralogie deutlich gradliniger, aber auch hier darf viel gegrübelt und interpretiert werden, auch 20 Jahre später ist der Anime vor allem für die Zuschauer gedacht, die sich nach dem Abspann gern mit gerade Gesehenem befassen und für die Action, persönliches Drama und existenzielle Fragen kein Widerspruch sind.
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