(„Rôjin Z“ directed by Hiroyuki Kitakubo, 1991)
Letzte Woche entführten wir euch in We Are the Strange in eine bizarre und düstere Videospielwelt. Teil 74 unseres fortlaufenden Animationsspecials ist da schon deutlich näher an unserem Alltag, kombiniert dabei Satire, Sozialdrama und Sci-Fi-Action zu einem recht ungewöhnlichen Anime, der gleich aus mehreren Gründen sehenswert ist.
Die junge Studentin Haruko Mitsuhashi kümmert sich aufopferungsvoll um den bettlägerigen, schwer kranken Witwer Kiyuro Takazawa. Der alte Mann ist kein Einzelfall, Japan steht vor der schwierigen Aufgabe, sich um eine überalterte Gesellschaft kümmern zu müssen. Doch das Gesundheitsministerium hat bereits eine Lösung: ein Pflegebett, das seine Patienten automatisch mit allem versorgt, was sie brauchen, sie füttert, untersucht, sogar badet. Aber was ist mit Zuwendung? Haruko und ihre jungen Pflegerkollegen sind empört über die unmenschliche Behandlung, tun alles, um Takazawa aus seinem Bett zu befreien, und stellen dabei fest, dass der Wundertechnik einige dunklen Geheimnisse innewohnen.
Als Ende der 80er, Anfang der 90er Anime erstmals im Westen enorm an Popularität gewannen, man erkannte, dass japanische Zeichentrickfilme auch sehr ungewöhnliche und erwachsene Geschichten erzählen können, wurde fieberhaft Nachschub gesucht, um aus dem Hype Kapital zu schlagen. Roujin Z ist einer dieser Filme, die sehr von der damaligen Welle profitierten. Kein Wunder, stammte das Drehbuch doch von Katsuhiro Ōtomo, der dank Akira zu einem der Aushängeschilder der Bewegung geworden war und dessen Name dann auch sehr prominent auf den Hüllen platziert wurde. Der Regisseur Hiroyuki Kitakubo, welcher sich erst später mit Blood – The Last Vampire einen Namen machte, der wurde hingegen ignoriert.
Ein zweites Akira ist Roujin Z dabei gar nicht, auch wenn beide Filme einiges gemeinsam haben: Beide spielen in der Zukunft, in beiden ist die Regierung in fragwürdige Experimente involviert, in beiden nimmt die Technik eine große Rolle ein. Dieses Mal ist jedoch der Humor deutlich stärker, an vielen Stellen ist der Anime dank seiner Slapstickeinlagen und kuriosen Figuren eher im Bereich der Komödie angesiedelt. Da gegen Ende hin sich die Ereignisse überschlagen, die Actionszenen immer zahlreicher und absurder werden, könnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass hier eine heitere Geschichte erzählt werden soll.
Gleichzeitig jedoch nimmt sich Roujin Z eines sehr ernsten Themas an: Wie kann eine Gesellschaft damit umgehen, wenn sie aus immer weniger Kindern, dafür aus immer mehr Greisen besteht? Das Problem der überalterten Bevölkerung, welches zwischenzeitlich auch bei uns intensiv diskutiert wurde, zeigte sich in Japan schon einige Jahre früher. Dieses ausgerechnet in einem Anime zu thematisieren, das war 1991 fast schon visionär. Bei all dem Quatsch, der nach außen hin den Film prägt, ist er doch ein erstaunlich ehrliches und gefühlvolles Plädoyer für mehr Menschlichkeit in der Pflege, kombiniert mit stark satirischen Elementen, welche verlogene Regierungen und profitsüchtige Unternehmen gleichermaßen anklagen.
Während der Film 24 Jahre später inhaltlich nach wie vor aktuell ist, in der Form problemlos auch heute noch erzählt werden könnte, zeigt sich optisch dann doch das Alter. War Akira eine auch visuell berauschende Dystopie, stand bei der Direct-to-Video-Produktion Roujin Z deutlich sichtbar weniger Geld zur Verfügung. Animationen und Hintergründe sind eher einfach gestrickt, Effekte gibt es auch keine. Nett anzusehen ist das Werk des nur wenig bekannten Animationsstudios A.P.P.P. (Robot Carnival, Golden Boy) aber schon, gerade auch für nostalgisch veranlagte Zuschauer: Die Designs sind noch im Stil der 80er gehalten, sind trotz des Zukunftsblicks ein eindeutiges Kind ihrer Zeit. Das Art Design stammte übrigens von Satoshi Kon, der seinerzeit auch niemandem wirklich etwas gesagt haben dürfte, später aber als Regisseur von Perfect Blue, Millennium Actress und Paprika zu einem der meistrespektierten seines Faches wurde.
Ähnlich herausragend ist Roujin Z nicht, dafür schwanken Ton und Genre zu sehr, es fehlt da doch an einer klaren Linie. Hinzu kommt, dass für einen derart auf Menschlichkeit bedachten Film die Figuren erstaunlich kurz kommen, zu einem echten Charakter wächst hier praktisch niemand heran. Unterhaltsam ist der Film aber, eine inhaltliche Kuriosität, die heute leider etwas in Vergessenheit geraten ist und die nicht nur aus historischen Gründen mehr als einen Blick wert ist.
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