(„Alice in Wonderland“ directed by Norman Z. McLeod, 1933)
Alles ist zugeschneit, nirgends kann man mehr hin. Für Alice (Charlotte Henry) ist das eine Zumutung, liebt es das neugierige Mädchen doch, die Welt um sie herum zu erkunden. Und so auch die Welt hinter den Spiegeln. Wie es dort wohl aussehen mag? Ob wirklich alles verkehrt herum ist? Irgendwann hält sie es vor Langeweile nicht mehr aus und beschließt, es selbst herauszufinden. Als sie durch den Spiegel steigt, bestätigen sich einige ihrer Vermutungen. Sie trifft aber auch eine Reihe seltsamer Kreaturen, die sie sich so nie hätte träumen lassen.
Nur zwei Jahre lagen zwischen der ersten Tonfilmfassung von Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ und dieser Fassung hier. Und doch könnten sie kaum unterschiedlicher sein. Wurden die Figuren 1931 noch mit Laiendarstellern besetzt, dauert der Vorspann hier satte drei Minuten, schließlich mussten die zahlreichen Stars wie Cary Grant, Gary Cooper und W. C. Fields gebührend in Szene gesetzt werden. Während des Films wird man jedoch seine liebe Mühe haben, die bekannten Gesichter wiederzuerkennen, wurden sie doch hinter Kostümen versteckt, teilweise auch hinter grotesken Masken.
Das deutlich gesteigerte Budget zeigt sich aber auch beim Drumherum. Zum einen darf man hier Spezialeffekte bewundern, etwa bei den berühmten Wachs- und Schrumpfszenen von Alice, die für einen Film von 1933 schon beachtlich sind. Aber auch in die Kulissen wurde deutlich mehr investiert. Zwar sieht man ihnen jederzeit deutlich an, dass sie innerhalb eines Studios aufgebaut wurden, weshalb Alice im Wunderland oft auch wie ein Theaterstück wirkt. Dafür sind sie doch recht ausgefeilt, Regisseur Norman Z. McLeod gelang es als erstem, die fantastische Welt von Alice auch tatsächlich zum Leben zu erwecken. Die Kostüme sind im Großen und Ganzen ebenfalls gelungen, wenn sie auch mit den übergroßen Pappmaché-Köpfen teilweise grotesk sind und hier stark an die Version von 1915 erinnern.
Während der Film optisch überzeugt, zumindest so gut es einer aus dieser Zeit nun mal kann, schwächelt Alice im Wunderland ausgerechnet auf der inhaltlichen Seite. Größtes Problem ist, dass die Verfilmung im Schweinsgalopp von Szene zu Szene hetzt, ohne kaum je Halt zu machen. Das mag zum Teil daran liegen, dass der ursprünglich 90 Minuten lange Film schon in den 50ern um 13 Minuten gekürzt wurde. Zum Teil aber auch daran, dass man hier nicht nur „Alice im Wunderland“ adaptierte, sondern den Nachfolger „Alice hinter den Spiegeln“ gleich mit dazu. Tatsächlich dürfte so mancher Zuschauer hier etwas irritiert sein, dass das Abenteuer nicht mit der Verfolgung des weißen Kaninchens beginnt, sondern dem Schritt durch den Spiegel. Während viele spätere Adaption mit dem Wunderland beginnen und später Spiegelland-Figuren wie Humpty Dumpty und Tweedle Dee/Tweedle Dum hinzunehmen, ging McLeod den umgekehrten Weg: Die Rahmenhandlung stammt aus „Alice hinter den Spiegeln“, wird später jedoch mit Elementen aus „Alice im Wunderland“ angereichert.
Diese Vermischung ist grundsätzlich kein Problem, wie andere Versionen zeigten – darunter auch die berühmte Zeichentrickfassung von Disney –, waren beide Bücher doch episodenhaft und damit gut zu kombinieren. Ungünstig ist aber schon, wenn der Film mit dem Spiegelland-Ende aufhört, die Vorgeschichte rund um Alice’ Wunsch, eine Königin zu werden, aber fehlt. Vor allem tat man sich keinen Gefallen damit, die einzelnen Szenen derart zu verstümmeln, dass sie zu reinen Momentaufnahmen reduziert werden. Die Figuren kommen auf diese Weise zu kurz, von dem großartigen Humor der Vorlage ist auch kaum mehr etwas zu erahnen. Zudem ist der Film ein eindeutiges Kind seiner Zeit, unterlegt jede Szene mit leicht theatralischer Musik, Charlotte Henry neigt an vielen Stellen sehr unschön zum Overacting, was beides an den Nerven kratzt. Der erhoffte Volltreffer ist die große Hollywoodproduktion dadurch nicht, war seinerzeit auch ein finanzielles Fiasko. Immerhin aber ist dieses die erste Version von „Alice im Wunderland“, die man sich auch ohne historisches Interesse heute noch gut anschauen kann.
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