(„Alice in Wonderland“ directed by Bud Pollard, 1931)
Das hatte sich Alice (Ruth Gilbert) nun wirklich ein wenig anders vorgestellt! Als sie dem weißen Kaninchen ins Wunderland folgt, trifft sie eine Reihe seltsamer Figuren – darunter einem verrückten Hutmacher, einer besserwissenden Raupe und einer schlecht gelaunten Köchin –, die sie nicht unbedingt zum Bleiben einladen. Am schlimmsten aber ist die jähzornige Herzkönigin, die so ziemlich alles und jedem den Kopf abhacken lassen will.
Vorsicht vor dem, was du dir wünschst, denn es könnte wahr werden! Krankten die bisherigen Verfilmungen von Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ daran, dass sie als Stummfilme die ausgefeilte Originalsprache des Buches nicht verwenden konnten haben wir bei der ersten Tonfilmadaption das gegenteilige Problem. Steht Schauspielern Sprache zur Verfügung, werden ganz andere darstellerische Ansprüche an sie erhoben. Ansprüche, die hier zu keiner Zeit erfüllt werden.
Eine Low-Budget-Produktion sei Alice in Wonderland, ist auf der dazugehörigen Wikipedia-Seite zu lesen, und möglicherweise mit Laienschauspielern besetzt. Wer das Vergnügen hatte, den Film zu sehen, wird sich recht schnell und bestimmt von dem „möglicherweise“ verabschieden wollen. Überzeugend ist hier keiner in seiner Rolle, weder Ruth Gilbert, die sich hier ähnlich natürlich artikuliert wie eine berauschte Shopping-Sender-Verkäuferin, noch ihre zahlreichen Kollegen. Sie schaffen es zwar nicht, die brillanten Dialoge Carrolls vollends zu zerstören, geben sich dabei aber große Mühe.
Das fehlende Geld macht sich jedoch nicht nur in dem untalentierten Ensemble bemerkbar, sondern vor allem auch beim Drumherum. Dass Anfang der 1930er die filmische Trickkiste noch nicht ganz so prall gefüllt ist, ist klar. Die Version von 1915 machte daraus eine Tugend, verzichtete auf die ambitionierteren Szenen und investierte dafür in schön anzusehende Kostüme. Doch die fehlen hier: Alles wirkt billig zusammengeschustert, als wären es Requisiten, die man bei einer Schulaufführung hat mitgehen lassen. Diese Bekenntnis zur Simplizität mag man charmant finden, dem ganzen einen Amateurbonus geben. Wer aber „nur“ eine gute Alice-Verfilmung möchte – oder überhaupt einen guten Film – der ist mit dieser Frühfassung schlecht beraten.
Immerhin ist die Geschichte über längere Strecken hinweg intakt geblieben, von dem auf kuriose Weise umgeschriebenen Ende einmal abgesehen. Und allein schon aufgrund der historischen Bedeutung darf man als Alice-Fan in die erste Tonfilmfassung schauen und den Originaldialogen lauschen. Ist die Neugierde aber erst einmal befriedigt, wird man sich den Film kein zweites Mal (oder erstes Mal) mehr anschauen wollen, zu sehr ist diese Version jeglichen Charmes, Witzes und Zaubers beraubt, welche die literarische Vorlage auszeichnete.
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