(„Bridge of Spies“ directed by Steven Spielberg, 2015)
Einer muss es ja tun: Als 1957 der Sowjetagent Rudolf Abel (Mark Rylance) in den USA gefasst wird, bemüht sich die Regierung darum, dem Spion einen fairen Prozess zu geben. Oder es zumindest danach aussehen zu lassen. Der Versicherungsanwalt James Donovan (Tom Hanks) darf die undankbare Aufgabe annehmen, den feindlichen Agenten vor Gericht zu verteidigen. Was dieser auch tut, zum Missfallen seiner Frau Mary (Amy Ryan) und dem Rest der amerikanischen Bevölkerung, die den Angeklagten lieber gleich tot sehen würde. Doch Donovan lässt sich davon nicht abschrecken, zum einen da es sein Gerechtigkeitssinn verlangt. Zum anderen, weil er davon überzeugt ist, dass der Gefangene lebend während des Kalten Krieges deutlich wertvoller ist. Und damit soll er Recht behalten: Der CIA-Beamte Hoffman (Scott Shepherd) beauftragt ihn mit der heiklen Mission, Abel gegen den US-Piloten Francis Gary Powers (Austin Stowell) einzutauschen, der in russische Gefangenschaft geraten ist.
Wer ist der größere Held? Derjenige, der den Interessen seines Vaterlandes dient? Oder derjenige, der sich davon freimacht und eine losgelöste Gerechtigkeit sucht? Diese Frage durfte man sich in den letzten Jahren angesichts so manch fragwürdiger Aktionen der USA immer mal wieder stellen. Auch Steven Spielberg stellt sie in seinem neuesten Film Bridge of Spies – und gibt die Antwort praktischerweise gleich mit. Es ist der aufrechte Mann, der hier glorifiziert wird. Einer, der seinen Ansichten treu bleibt, selbst wenn er damit für viele zum Vaterlandsverräter wird. Bemerkenswert ist es schon, dass ausgerechnet der kommunistische Gegner, sprich Abel, am Ende besser wegkommt als der demokratische Amerikaner, sei es in der Justiz, dem Geheimdienst oder dem auf der Straße.
Immer wieder hat man hier den Eindruck, dass Donovans Mitbürger kurz davor sind, ihre Heugabeln aus dem Keller zu holen, alles abzufackeln was auch nur irgendwie mit dem gottlosen feindlichen Agenten zu tun hat. Das ist manchmal ein bisschen dick aufgetragen, neben Donovan keine weitere moderate Stimme einzuführen, wirkt schon sehr vereinfacht. Aber um einen echten Diskurs ging es Spielberg ja auch nicht, er wollte in erster Linie einen unterhaltsamen Film. Und das ist ihm gelungen.
Überraschend humorvoll ist Bridge of Spies geworden, man muss hier nie lange warten, bis der nächste Lacher sich einschleicht, der nächste komische Dialog. Gerade das Zusammenspiel zwischen dem stoischen Abel und Donovan, der von der Unbeirrbarkeit seines Mandanten fasziniert ist, sorgt immer wieder für herrliche Momente. Und auch später, wenn der Schauplatz nach Berlin verlegt wird, verliert der Film nicht seinen Witz. Dieses Mal sind es die bürokratischen Absurditäten und nationalen Eitelkeiten, die aufs Korn genommen werden – da macht sich an vielen Stellen die Handschrift der Coen-Brüder bemerkbar, die am Drehbuch mitschrieben.
Nachteil des hohen Unterhaltungswertes: Er geht auf Kosten der Spannung. Nur selten hat man hier das Gefühl, dass da tatsächlich etwas auf dem Spiel steht, um reale Menschenleben geschachert wird. Die Szenen in Ostberlin sind optisch zwar von sehr viel Düsterkeit geprägt – praktischerweise spielt die zweite Hälfte im tiefsten Winter, sodass sich die Stadt von seiner schlimmsten Seite zeigen darf –, Donovan und die anderen Figuren haben damit aber nur am Rande zu tun. Auch vom Umgang mit den Spionen im Gefängnis bekommt man kaum etwas mit, Bridge of Spies will kein Zero Dark Thirty sein, schließlich sollen auch Familien mit dem Gezeigten zurechtkommen.
Davon abgesehen ist der auf wahren Begebenheiten beruhende Film jedoch sehr um Authentizität bemüht, sowohl was Kulissen und Kostüme angeht, aber auch die Besetzung. Schön ist beispielsweise, dass die Szenen in Deutschland auch tatsächlich mit deutschsprachigen und -sprechenden Schauspielern besetzt wurden, darunter Sebastian Koch als DDR-Anwalt. Weniger schön ist der Hang zum Pathos, der sich vereinzelt zeigt, gerade zum Ende hin. Aber auch das gehört zu Bridge of Spies: Er ist vollgepackt mit Themen, Ideen und Szenen, die nicht alle zusammenpassen, ist eigentlich auch gleich zwei Filme in einem – die Verhandlungen in den USA, der Austausch in Deutschland. Und dennoch ist Spielberg ein erstaunlich runder Streifen gelungen, der seine einzelnen Bestandteile gut zusammenhält und trotz einer Laufzeit von weit über zwei Stunden nie langweilig wird.
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