Leon und die magischen Worte
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Leon und die magischen Worte

(„Kérity la maison des contes“ directed by Dominique Monféry, 2009)

Leon und die magischen WorteWährend mancher immer noch über die seltsamen Vorkommnisse in Boogiepop Phantom nachgrübelt, geht unser fortlaufendes Animationsspecial bereits in die 79. Runde. Und dabei bekommen wir äußerst prominente Gesellschaft.

Ausgerechnet Bücher? Als die Tante des siebenjährigen Leon stirbt, vermacht sie ihm ihre umfangreiche Bibliothek, aus dem sie ihm immer vorgelesen hat. Eine schöne Geste sicher, denn geliebt hat der Junge die Geschichten vom ganzen Herzen. Wirklich etwas anfangen kann er mit dem Erbstück jedoch nicht, denn zum Kummer seiner Familie hat er bis heute nicht gelernt zu lesen. Nichtsahnend, dass es sich dabei um magische Bücher handelt, in denen die Märchenfiguren aus aller Welt leben, lässt sich Leon darauf ein, die Werke zu verkaufen. Als er seinen Irrtum bemerkt, ist es bereits zu spät. Und so macht er sich mit einigen der berühmten Charaktere auf den Weg, das Unglück zu verhindern. Aber das ist gar nicht so einfach, denn die böse Hexe Carabosse hat ihn in einen Winzling verzaubert.

Ein Zeichentrickfilm, der Kinder zum Lesen von Büchern animieren will? Das ist gleich doppelt altmodisch, schließlich ist für beides in der heutigen Welt kaum ein Platz mehr. Aber genau das verleiht Leon und die magischen Worte einen ganz eigenen Charme: Der französisch-italienische Film nimmt einen mit in ein vergessenes Reich der Fantasie, das noch immer eine Menge bezaubernder Geschichten zu erzählen hat – wenn man es denn lässt. Wertvolle Erstausgaben berühmter literarischer Werke sind es, die in der Bibliothek da schlummern, weshalb sie zum Zankapfel werden zwischen Leon und seinen magischen Freunden auf der einen Seite, einem habgierigen Krämer auf der anderen. Doch es ist eben nicht das Papier, die Zeichnungen oder das Alter, die den Wert eines Buches bestimmen – so die Moral des Films –, sondern das, was man daraus macht.

Das ist natürlich nicht die allerneuste Geschichte, die Regisseur Dominique Monféry da zu erzählen hat: Kinder, die über sich hinauswachsen müssen, ein Plädoyer für die Vorstellungskraft, zu Leben erwachte Fantasiefiguren, die dem jungen Helden zur Seite stehen – das sind alles schon recht bekannte Elemente. Aber sie werden hier kunstvoll, charmant und kurzweilig zusammengeführt. In erster Linie richtet sich das klar an ein jüngeres Publikum: Handlungsverlauf und Dialoge sind simpel, der Humor ist es auch, die Figuren sind leicht erkennbar in gut und böse unterteilt, trotz der Bedrohung wird es nie allzu finster. Zusammen mit Leon dürfen die Zuschauer so ein spannendes Abenteuer erleben, Spaß am Lesen gewinnen und dabei ein klein wenig erwachsener werden.

Aber auch weit jenseits des Kindesalters darf man bei Leon und die magischen Worte seinen Spaß haben. Da wäre zum einen der beträchtliche Nostalgiefaktor, wenn die Figuren aus „Alice im Wunderland“, „Pinocchio“, „Peter Pan“ oder „Rotkäppchen“ über den Bildschirm huschen. Leider beschränken sich die meisten Auftritte auf wenige Sekunden. Und selbst die Charaktere mit einer größeren Rolle – Alice, das weiße Kaninchen und der Oger – werden nicht wirklich integriert, haben bei ihrer Reise in die reale Welt viel von dem zurückgelassen, was sie im Original noch auszeichnete. Trotzdem ist es schön, den alten Bekannten hier erneut zu begegnen, zumal die visuelle Umsetzung sehr stimmungsvoll geworden ist: Der Film strotzt vor liebevollen Details und wirkt mit seinen malerischen Hintergründen so, als wäre er selbst eine Illustration aus einem alten Märchenbuch.



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„Leon und die magischen Worte“ ist ein nicht ganz neuer und recht simpler, aber charmant und stimmungsvoll umgesetzter Animationsfilm über einen kleinen Helden und die große Macht der Fantasie. Schade nur, dass die vielen bekannten Nebenfiguren kaum beachtet wurden.
7
von 10