(„Realité“ directed by Quentin Dupieux, 2014)
Er hätte ein Ekzem im Kopf, muss sich Dennis (John Heder) anhören, ein von ständigem Juckreiz befallener Moderator einer Kochshow. Deren Kameramann Jason Tantra (Alain Chabat) träumt derweil davon, selbst einen Film zu machen. Den Produzenten Bob Marshal (Jonathan Lambert) konnte er schon von seiner Idee überzeugen. Der will den Film jedoch nur unter einer Bedingung machen: Jason soll ihm ein Stöhnen besorgen, das ihm einen Oscar beschert. Derweil ist die kleine Reality (Kyla Kenedy) selbst schon Protagonistin eines Films, interessiert sich aber mehr für den Inhalt einer Videokassette, die sie im Magen eines Wildschweins gefunden hat. Und dann wäre da noch ihr Lehrer Henri (Eric Wareheim), der ein Faible für Frauenkleidung hat.
Wer angesichts der obigen Zusammenfassung nicht wirklich viel verstanden hat, braucht sich nicht zu grämen: Das ist so gewollt. Regisseur und Drehbuchautor Quentin Dupieux, der Elektrofans unter seinem Pseudonym Mr. Oizo bekannt ist, hat sich in den letzten Jahren auch als Macher etwas eigenwilliger Filme einen Namen gemacht. Und da reiht sichReality nahtlos ein. Wer seine vorherigen drei Werke Rubber, Wrong und Wrong Cops gesehen hat, darf sich daher auf seine typische Mischung aus Retrolook, elektronischer Musik und willkürlichen Szenen gefasst machen.
Auch wenn der neueste Film kein „wrong“ mehr im Titel trägt, bekommt der Zuschauer bald schon die ersten Hinweise, dass erneut einiges nicht ganz so stimmt. Zunächst beschränkt sich Dupieux jedoch darauf, diverse skurrile Figuren einzuführen, die an eingebildeten Krankheiten leiden, Marotten pflegen oder grotesken Träumen hinterherjagen. Das ist nett, streckenweise amüsant, im Vergleich zum Feuerwerk von Wrong insgesamt jedoch deutlich weniger lustig und einfallsreich. Reichten dort minimale Verschiebungen, um die Welt aus den Angeln zu heben, zuckt man hier oft genug einfach nur mit den Schultern – innen wie außen.
Interessant wird es erst durch das Mädchen Reality, welches dem Film ihren Namen gab, aber natürlich auch für das Spiel mit der Realität steht. In dem einen Moment sehen wir sie noch als Protagonistin des Films im Film, im nächsten interagiert sie völlig normal mit den anderen Figuren. Nach diesem Prinzip lässt Dupieux seine Figuren aufeinander los, schafft Verbindungen, wo keine sein dürften, erzählt dieselbe Geschichte aus mehreren Blickwinkeln.
Solche Überschneidungen werden immer wieder gern herangezogen bei episodenhaften Geschichten: Was am Anfang ein Mysterium ist, wird mit der Zeit und mit den hinzugewonnenen Perspektiven immer klarer. Reality ist das Gegenteil davon, an jeder Kreuzung verschwimmt das Bild ein bisschen mehr, bis am Ende überhaupt nicht mehr klar ist, was hier noch Realität ist. Ob es überhaupt eine Realität gibt. Dass dabei ausgerechnet das Medium Film eine große Rolle spielt und hier viele Anspielungen eingebaut wurden, ist kein Zufall, schließlich werden gerade dort die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion traditionell aufgehoben.
Nun muss man aber nicht so weit gehen, Reality als einen Film übers Filmemachen zu bezeichnen. Oder überhaupt als einen Film, der eine Aussage verfolgt. Wer hier einen roten Faden erhofft, ist von Anfang an im falschen Film, vielmehr spielt Dupieux einfach lustvoll mit den Erwartungen seiner Zuschauer. Das ist zum Ende hin durchaus beeindruckend, wenn die einzelnen Stränge zusammenfinden, Reality vollends zu einem Mindfuck wird. Davor gibt es aber eine Menge Leerlauf. Nach dem enttäuschenden Wrong Cops geht der Beitrag vom Fantasy Filmfest 2015 zwar wieder in die richtige Richtung, die Höhen seiner frühen Werke erreicht Dupieux jedoch wieder nicht – dafür sind die Episoden hier dann doch zu zahm und erstaunlich berechenbar. Fans sollten sich davon nicht abhalten lassen, schließlich ist die Konkurrenz an surrealen Komödien nicht gerade groß, ähnliches wie hier wird man woanders nur kaum finden.
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