(„Steve Jobs“ directed by Danny Boyle, 2015)
Jeder Mensch soll einen Computer zu Hause haben, das ist die Vision von Steve Jobs (Michael Fassbender). Die konkrete Umsetzung seiner Ideen überlässt der Apple-Mitbegründer jedoch gerne anderen, etwa Steve Wozniak (Seth Rogen) oder auch Softwareentwickler Andy Hertzfeld (Michael Stuhlbarg). Widersprüche werden dabei nicht geduldet, allenfalls Marketing-Chefin Joanna Hoffman (Kate Winslet) und Apple-CEO John Sculley (Jeff Daniels) gelingt es, dem eigenwilligen Jobs die Stirn zu bieten. Aber auch privat eckt er regelmäßig mit anderen an, vor allem seine Ex-Freundin Chrisann Brenna (Katherine Waterston) macht ihm das Leben zur Hölle, fordert sie doch, er möge endlich die gemeinsame Tochter anerkennen.
Ein brillanter Visionär oder ein arroganter Soziopath? Kaum eine Figur des öffentlichen Lebens war in den letzten Jahren wohl ähnlich umstritten wie Steve Jobs, der unseren Alltag nachhaltig veränderte – mit manchmal zweifelsfreien Mitteln. Das zweite große Biopic – nach Jobs – nimmt sich dann auch genau dieser Ambivalenz an, zeigt den Unternehmer als gefeierte Kultfigur, aber auch als im Grunde verabscheuungswürdigen Menschen, der seine Tochter mit fadenscheinigen Ausflüchten verleugnet, auf andere grundsätzlich herabblickt und keinen einzigen Fehler bei sich finden, geschweige denn zugeben mag.
Zwei Stunden lang einem solchen Menschen zuschauen zu müssen, das wirkt jetzt nicht unbedingt einladend. Und doch ist Steve Jobs unterhaltsam, sehr sogar. Drehbuchautor Aaron Sorkin, der zuvor schon in The Social Network dem Phänomen Facebook auf der Spur war, schrieb seinen Figuren Dialoge auf den Leib, bei denen kein Wort Ballast ist und kein Gespräch ohne eine Pointe. Tatsächlich ist der Film an vielen Stellen fast unheimlich komisch: Biopics, das bedeutet normalerweise eine Gleichsetzung mit Drama. Und Stoff dafür gab es auch mehr als genug, gerade in Jobs’ privatem Umfeld, bei der jede Begegnung neue Wunden hinterlässt. Trotz einiger bewegenden Szenen, die in erster Linie mit seiner Tochter Lisa zusammenhängen, ist der Film einer Komödie oft jedoch näher als einem Drama.
Das neue Werk von Regisseur Danny Boyle (Trainspotting, Slumdog Millionär) rast mit einer solchen hohen Geschwindigkeit umher, dass man vor lauter Aufregung kaum mehr bemerkt, dass der Film zu vielen Themen wenig bis gar nichts zu sagen hat. Drei Präsentationen sind es, die den Rahmen von Steve Jobs bilden: eine zum Macintosh (1984), eine zum Uni-Computer NeXT (1988) und eine schließlich zum iMac (1998). Was dazwischen lag, wird teilweise durch Rückblenden erzählt, teilweise auch nicht. So verrät der Film beispielsweise nicht, weshalb Jobs so im Geld schwimmt, erzählt wird ausschließlich von dessen Misserfolgen. Ein Rätsel bleibt damit auch, aus welchem Grund er von so vielen wie ein Messias gefeiert wurde – das Charisma war es sicher nicht, die vorgestellten Produkte ebenso wenig. Schade ist zudem, dass die komplette Geschichte hinter Pixar keine Erwähnung findet.
Dafür entschädigt die bis in die Nebenrollen hochkarätig besetzten Darsteller. Kate Winslet, Jeff Daniels, Seth Rogen – die Schauspielgrößen zeigen ihre gewohnte Qualität. Und doch werden sie von einem Michael Fassbender überschattet, der sich die ambivalente Figur in all ihren Facetten zu eigen macht und der – trotz eines katastrophalen Einspielergebnisses in den USA – noch immer einer der Favoriten für die nächste Oscarrunde ist. Selbst wer der Realvorlage und seinen Kultobjekten kritisch gegenübersteht, Fassbenders fantastische Leistung allein rechtfertig jedes Kinoticket.
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