(„Time Out of Mind“ directed by Oren Moverman, 2014)
„Sie können hier nicht bleiben!“ Als George Hammond (Richard Gere) von dem Gebäudemanager in seinem „Bett“ entdeckt wird – die Badewanne einer leerstehenden, baufälligen Wohnung – fackelt dieser nicht lange und schmeißt den heruntergekommenen Obdachlosen hinaus. George weiß sich daraufhin nicht zu helfen, zieht ziellos durch die Straßen New Yorks, immer auf der Suche nach etwas zu essen oder einem Platz zu schlafen. Während er so den unterschiedlichsten Menschen begegnet, darunter seinem Leidensgenossen Dixon (Ben Vereen), kehren seine Gedanken immer wieder zu seiner Tochter Maggie (Jena Malone) zurück, die schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm möchte.
Nein, er habe keinen Personalausweis, keinen Führerschein, keine Rechnungen oder offiziellen Schreiben, keinen Reisepass. Offiziell gibt es ihn also gar nicht, diesen Obdachlosen in seinen abgewetzten Klamotten, der einen Antrag auf Hilfe stellen will. Es ist diese Szene, die wohl wie keine zweite in Time Out of Mind zeigt, wie ein Mensch, der einst in der Mitte der Gesellschaft stand, nach unten durchgereicht werden kann, am Ende aufgrund bürokratischer Bestimmung durch alle Netze fällt. Wir haben auf der einen Seite den – sicher gut gemeinten – Versuch der Behörden, das Leben zu regeln. Und auf der anderen das Leben, das sich an keine Regeln hält.
Regisseur und Drehbuchautor Oren Moverman, der zuletzt auch bei Love & Mercy mitgeschrieben hat, interessiert sich dann auch weniger für die Figur des George Hammond. Wir erfahren früh von seiner entfremdeten Tochter, später bekommen wir weitere Einblicke in sein früheres Leben. Aber das geschieht größtenteils alles recht beiläufig, Hammond ist ein Fremder. Für die Gesellschaft. Für die Behörden. Für uns. Gleichzeitig aus seinen Augen, dann aber auch wieder aus der Distanz erfahren wir, was es heißt, aus dem Leben gefallen zu sein. Erstaunlich nüchtern, ohne Ausflüge in kitschige Gefilde, ist Time Out of Mind ein unsentimentales Drama über Menschen, die auf Parkbänken und vor Kirchen schlafen. Es sei nur eine Zwischenstation, beteuert Hammond immer wieder. Doch je weiter der Film voranschreitet, je häufiger dieser Satz fällt, umso deutlich wird, dass er eine Illusion ist. Etwas, an dem sich Hammond festhält.
So schön es ist, dass Moverman dabei der Versuchung widersteht, aus dem trüben Stoff eine manipulative Herzschmerznummer machen zu wollen, hat dies doch auch einen Nachteil: Time Out of Mind ist nur selten bewegend. Man fühlt recht wenig mit bei dieser Odyssee durch die unfreundlichen Straßen. Auch deshalb braucht es hier recht viel Geduld, statt eine durchgängige Geschichte mit einem tatsächlichen Ziel anzubieten, streift der Film ähnlich ziellos umher wie sein Protagonist. Die Erlebnisse von Hammond präsentieren sich als zusammenhangslose Episoden, die zudem sehr ruhig gestaltet sind.
Dann und wann nur bricht es aus dem Film hervor und hinter dem traurigen Allgemeinschicksal tritt ein noch traurigeres individuelles hervor. Beide Abschnitte werden von Richard Gere gleichermaßen überzeugend gespielt, der mit seiner stoischen, dann wieder gefühlvollen Art alle Fäden in der Hand behält, ohne sich dabei je in den Vordergrund zu drängen. Es ist kein schöner Film, den uns Moverman da zeigt. Aber einer, der einen daran erinnert, auf dem Weg durch das Leben den Blick immer wieder auch zur Seite streifen zu lassen und die Schatten unserer Gesellschaft wahrzunehmen.
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